Du bist, was dein Vater isst

Dass die Ernährung von Müttern während der Schwangerschaft einen großen Einfluss auf die spätere Gesundheit ihrer Nachkommen hat, ist längst bekannt. Der Lebensstil der Schwangeren beeinflusst die Epigenetik der Kinder und prägt sie so mitunter für den Rest ihres Lebens. Allerdings scheint das Essverhalten der Väter eine ganz ähnliche Rolle zu spielen. Wie hierbei die Übertragung des Lebensstils auf die Molekularbiologie der Kinder gelingt, ist aber noch weitgehend unbekannt.

Epigenetikerïnnen des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München entdeckten nun in Experimenten mit Mäusen eine neue Erklärung für das Phänomen.

Epigenetische Therapie von MS bei Mäusen

In Zellen eines menschlichen Gehirn-Organoids verstärkte die ESI1-Behandlung die Produktion von Myelinscheiden, wie die dicken, langen grünen Stränge in diesem konfokalen Mikroskopbild zeigen. (Bildrechte: Cincinnati Children's Hospital Medical Center)

Multiple Sklerose ist eine tückische, unheilbare Krankheit, bei der nach und nach die Myelinscheiden verschwinden, die viele Nervenzellen als eine Art Schutzschicht umgeben und weitere wichtige Funktionen haben. Bisherige Therapien bremsen das Fortschreiten des Leidens. Es gibt aber noch keine Behandlung, die zerstörte Zellen wieder regeneriert und damit in Richtung einer möglichen Heilung führt.

Ein neuer Ansatz scheint jetzt genau dieses Ziel mit Hilfe einer epigenetischen Umprogrammierung betroffener Zellen zu erreichen. Bislang wurde das Verfahren aber nur bei Mäusen und in der Petrischale getestet.

Neue Art des Heilens: Gene gezielt epigenetisch abschalten

Seit sie erkannt haben, wie wichtig die Epigenetik für die Regulation der Gene ist, wünschen sich Forschende ein Werkzeug, mit dessen Hilfe sie gezielt die Epigenetik verändern können. Mit Hilfe der nobelpreisgekrönten Genschere CRISPR/Cas9 sind sie seit 2021 halbwegs am Ziel.

Doch noch eignet sich die Methode kaum zum medizinischen Einsatz – und das schon gar nicht zur Behandlung von Krankheiten des Gehirns. Deshalb ist es eine wichtige Nachricht, dass Gentechnikerïnnen jetzt eine verbesserte Methode zur sogenannten Epigenom-Edierung vorgestellt haben. Diese soll das Nebenwirkungsrisiko senken und die Erfolgsaussichten erhöhen. Und sie scheint tatsächlich zu funktionieren.

Wie alt können Säugetiere einer Art werden?

Aus dem epigenetischen Muster eines Säugetiers lässt sich ziemlich gut das bekannte maximale Alter der gesamten Säugetier-Art berechnen. Die Grafik setzt das gemessene Höchstalter (X-Achse) mit dem berechneten Alter (Y-Achse) in Zusammenhang. Die gestrichelte Linie zeigt an, wo beide übereinstimmen, die rote Linie fasst den Trend der Daten zusammen. Es wurde eine logarithmische Skala gewählt. Der Wert für den Menschen entspricht einem berechneten Alter von 98,1 und einem gemessenen Alter von 122,5 Jahren. (Quelle: Science Advances 10, 07.06.2024, eadm7273)

Die Französin Jeanne Calment ist bis heute der Mensch, der am längsten gelebt hat. Sie wurde 122 Jahre, fünf Monate und 14 Tage alt. Damit war sie etwa 24 Jahre älter, als es eine neue Analyse der epigenetischen Muster aus 15.000 Proben von 348 verschiedenen Säugetier-Arten statistisch nahe legt. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch, es zeigt vor allem, dass wir Menschen als Art schon jetzt sehr viel mehr aus unseren molekularbiologischen Möglichkeiten herausholen, als die allermeisten anderen Säugetier-Arten.

Epigenetische Marker für personalisierte Prävention bei Diabetes

Viele Menschen mit Typ 1-Diabetes werden im Laufe ihres Lebens zusätzlich nierenkrank und sind auf eine Dialyse oder Nierentransplantation angewiesen. Ein epigenetischer Test könnte in Zukunft helfen, Betroffene mit dem größten Risiko frühzeitig zu erkennen.

Epigenetische Fährte von ME/CFS und Long Covid

In der Regel tritt das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS als Folge einer Virusinfektion auf, so auch im Fall von Long Covid, das vermutlich nichts anderes ist, als jene Form von ME/CFS, für die eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verantwortlich zeichnet. Jetzt haben sich Forschende die Mühe gemacht, möglichst viele publizierte Daten zur Epigenetik von Menschen mit ME/CFS und Long Covid auszuwerten. Gefunden haben sie eine deutliche epigenetische Fährte.

Sozialer Rang prägt Epigenom von Tüpfelhyänen

Tüpfelhyänen am Gemeinschaftsbau eines Clans im Serengeti-Nationalpark in Tansania (Bildrechte: Sarah Benhaiem / Leibniz-IZW)

Tüpfelhyänen leben in streng hierarchisch organisierten Rudeln. Das immer gleiche Weibchen führt die Gruppe, und auch darunter besteht eine feste Rangordnung. Der Nachwuchs übernimmt automatisch den Status der Mutter, wobei jüngere Geschwister einen höheren Rang haben als ältere. Es ist logisch, dass der Rang einer Hyäne einen großen Einfluss auf ihren Lebenswandel hat. Und nun weiß man sogar, dass sich diese Unterschiede im molekularbiologischen Gedächtnis der Zellen der Tiere niederschlagen.

Wie moderner Biologie-Unterricht vor Rassismus schützt

Wie intelligent wir sind, ob wir ein hohes Risiko für Depressionen haben oder wie effizient beispielsweise unsere Muskeln arbeiten: All das ist das Resultat eines Aktivitätsmusters, das mitunter tausende miteinander systemisch vernetzte Gene in unterschiedlichen Zelltypen in ebenfalls vernetzten Organen im Zusammenspiel mit Umweltreizen bilden.
Mindestens so wichtig wie der genetische Code der DNA ist also die teilweise epigenetisch gesteuerte Regulation umfangreicher Gen-Netzwerke. Jetzt fanden Forschende heraus, dass ein moderner Biologieunterricht, der dieses neue Wissen berücksichtigt, Lernende vor späterem Rassismus schützt.

Epigenetik und Stress: Maus-Forschung für den Menschen

„Mice tell lies“ – Mäuse lügen, lautet ein berühmter Spruch, der ausdrückt, dass Resultate aus Nagetieren meist nur schwer auf den Menschen übertragbar sind.

Doch jetzt konnten Münchner Epigenetikerïnnen zeigen, dass Mäuse, denen ein menschliches Gen eingepflanzt worden war, epigenetisch ähnlich arbeiten wie Menschen. Ein guter Modellorganismus für die wichtige Suche nach epigenetisch wirksamen Psychopharmaka der Zukunft scheint gefunden.

Mutierte Epigenetik reparieren

Epigenetik und Genetik sind untrennbar miteinander verbunden. So ist der Bauplan aller epigenetisch aktiven Enzyme im DNA-Code gespeichert. Genetische Mutationen im entsprechenden Gen können also zur Folge haben, dass das epigenetische Enzym weniger gut oder gar nicht mehr arbeitet. Das kann die Epigenetik betroffener Zellen so stark beeinträchtigen, dass das Risiko für Krankheiten steigt.

Genau diesen Prozess haben jetzt US-amerikanische Stammzellforschende in Zellkulturen mit Knochenmarkszellen von Mäusen erforscht und zudem mögliche Gegenmittel getestet.