Wenn Nerven nachwachsen

Grün gefärbte Schwann-Zellen umgeben das rot gefärbte Axon einer Nervenzelle. (Bildrechte: Adrien Vaquié)

Nadège Hertzog et al.: Hypoxia-induced conversion of sensory Schwann cells into repair cells is regulated by HDAC8. Nature Communications 16, 09.01.2025, Nr. 515.

Wir alle kennen das: Ein tiefer Schnitt oder eine Operation haben einen Nerv an der Hand oder den Füßen durchtrennt, und ein Teil der Extremität ist gefühllos geworden. Dann heißt es in der Regel, Geduld zu bewahren bis der Tastsinn ganz allmählich von alleine zurückkehrt.

In dieser Zeit verwandeln sich die sogenannten Schwann-Zellen, die die Ausläufer der Nervenzellen umgeben. Sie werden zu Reparaturzellen und geben bestimmte Signale ab, die wiederum den nachwachsenden Enden der Nervenzellen den Weg weisen. Je besser das gelingt, desto mehr Gefühl kehrt in das taube Gewebe zurück.

Jetzt fand ein Team um die Neurobiologin Claire Jacob von der Universität Mainz in Experimenten mit Mäusen heraus, dass ein epigenetisch aktives Enzym ein gewichtiges Wörtchen bei der Entscheidung mitredet, ob sich eine Schwann-Zelle in eine Reparaturzelle verwandelt oder nicht. Diese Entdeckung könnte vor allem für ältere Menschen oder für Personen mit einer besonders schweren Verletzung wichtig werden, weil Nerven bei ihnen meist nur schlecht oder gar nicht mehr nachwachsen.

Wird der von Fachleuten als „peripheres sensorisches Axon“ bezeichnete Zell-Ausläufer verletzt, werden die umgebenden Schwann-Zellen schlechter mit Sauerstoff versorgt. Das scheint der Auslöser für ihre Umwandlung zu Reparaturzellen zu sein – allerdings nur dann, wenn nicht zu viel des epigenetisch aktiven Enzyms HDAC8 vorhanden ist.

Dieses hemmt die Umwandlung der Zellen allerdings nicht – wie man erwarten würde und wie es die Hauptaufgabe von HDAC8 ist – indem es Acetylgruppen von Histonen entfernt, die an die DNA angelagert sind (HDAC steht für Histondeacetylase) und so die Aktivierbarkeit bestimmter Gene verringert. HDAC8 wirkt in diesem Fall auf einem direkteren Weg, indem es bestimmte Proteine verändert, die ebenfalls für die Genregulation wichtig sind. Leider werden bereits existierende epigenetische Medikamente aus der Gruppe der HDAC8-Hemmer deshalb nicht das Nervenwachstum ankurbeln können.

Die Forschenden haben dennoch eine Idee: Sie möchten die Aktivierbarkeit des Gens für HDAC8 in Schwann-Zellen direkt drosseln, sodass weniger dieses Enzyms in den Zellen existiert. Auch das könnte übrigens dank Epigenetik gelingen, nämlich mit Hilfe des nobelpreisgekrönten Verfahrens der RNA-Interferenz. Claire Jacob sagt dazu in einer Pressemitteilung: „Wenn wir diesen Gegenspieler HDAC8 entfernen, wachsen die sensorischen Axone schneller nach und die Empfindungsfähigkeit wird schneller wiederhergestellt.“