Epigenetischer „Barcode“ entreißt Blutzellen Geheimnisse

Schwarz-weiß-Aufnahme vieler kleiner Zellen
Blutstammzellen der Maus in 20-facher Vergrößerung. (Bildrechte: Julia Rühle/Centro de Regulación Genómica)

Michael Scherer et al.: Clonal tracing with somatic epimutations reveals dynamics of blood ageing. Nature, 21.05.2025, doi.org/10.1038/s41586-025-09041-8.

Im menschlichen Knochenmark befinden sich 50.000 bis 200.000 Blutstammzellen, die sich ständig teilen, wobei täglich 100 bis 200 Milliarden neue Blutzellen entstehen. Bei jungen Menschen gehen tausende dieser Stammzellen auf unterschiedliche Linien zurück. Sie sind sogenannte Klone von verschiedenen Vorläuferzellen.

Ein junges Blutsystem ist deshalb aus einer vielfältigen Menge gesunder und unterschiedlicher Typen von Blutzellen zusammengesetzt. Ganz anders ist es bei alten Menschen: Nun haben sich wenige Stammzelllinien durchgesetzt. Alle blutbildenden Zellen sind Klone einer kleinen Gruppe von Vorläufern. Die Vielfalt im Blutsystem nimmt insgesamt ab.

Fatalerweise dominieren dabei sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen Stammzell-Klone, die sogenannte myeloische Zellen bilden, die wiederum in großer Zahl das Risiko für chronische Entzündungen erhöhen können. In diesem offenbar natürlichen Alterungsprozess scheint eine mögliche Ursache dafür zu liegen, dass mit dem Alter das Risiko für Krankheiten wie Krebs, Morbus Alzheimer, Arteriosklerose oder Typ-2-Diabetes drastisch steigt.

Viele dieser Erkenntnisse verdanken wir einer neuartigen Methode, die Forschende zweier Institute (CRG und IRB) im spanischen Barcelona entwickelten. Michael Scherer und Kollegïnnen stellen EPI-Clone vor, ein System, das in der Lage ist, das epigenetisch aktive Muster der DNA-Methylierung tausender Blutzellen aus einer Probe so zu analysieren, dass jede Zelle individuell erfasst wird.

Mit Hilfe dieser Einzelzell-Epigenomik kreisten die Forschenden 453 Stellen auf der DNA der Blutzellen ein, deren Analyse ihnen zwei wichtige Informationen lieferte. Der jeweilige epigenetische „Barcode“ macht klar, um welche Art von Blutzelle es sich handelt und von welcher Blutstammzelle sie abstammt. „Vor fünf Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass dies in Einzelzellauflösung über Zehntausende von Zellen hinweg möglich ist. Das war ein riesiger technologischer Sprung nach vorn“, sagt Scherer, der heute eine Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg leitet.

Bislang war es auch mit anderen technischen Verfahren nicht möglich, das Blutsystem lebender Menschen derart genau zu analysieren. Neben dem neuen Blick auf Alterskrankheiten wird nun auch eine zuverlässige Einschätzung des biologischen Alters des Blutsystems denkbar. Damit lässt sich das individuelle Erkrankungsrisiko vielleicht sehr viel früher erkennen als heute, hoffen die Forschenden.

Außerdem möchten sie der immer wichtiger werdenden Longevity-Forschung helfen. Denn mit der neuen „Barcode“-Analyse von Blutzellen ließe sich theoretisch auf individueller Ebene erfassen, wie gut eine potenzielle Verjüngungstherapie wirke. Lars Velten, Epigenomiker aus Barcelona und einer der Hauptautoren der Studie, hofft dank des von ihm mitentwickelten Werkzeugs gar auf eine „echte Präzisionsmedizin für das Altern“.