Dem Epigenetiker-Team um Shelley Berger von der University of Pennsylvania, USA, gelang im Jahr 2010 ein Coup, als es Ameisen als ideale Modelltiere für ihr Fach präsentierte. Die Insekten eines Volkes sind zwar genetisch nahezu identisch, unterscheiden sich aber je nach Kastenzugehörigkeit epigenetisch voneinander. Vermutlich wird zum Großteil über die frühkindliche Ernährung der Tiere ein Programm der Genaktivierbarkeit gesteuert, das bestimmt, ob eine Ameise zum Beispiel Soldatin, Königin oder Arbeiterin wird. Eine Springameise zierte damals sogar den Titel des Newsletter Epigenetik (Ausgabe 03/2010: Lang lebe die Königin).
Jetzt legten Berger und Kollegen nach. Sie testeten den Einfluss verschiedener epigenetischer Medikamente auf das Verhalten von Holzameisen der Art Camponotus floridanus. Die Resultate zeigen eindrucksvoll, wie stark das Verhalten der Tiere epigenetisch gesteuert wird: Sowohl Valproinsäure als auch Trichostatin A, beides so genannte Histondeacetylase-Hemmer (HDACi), also Mittel, die den Histon-Code so verstellen, dass Gene prinzipiell leichter aktivierbar werden, änderten das Verhalten der Ameisen deutlich. Spritzten die Forscher die Mittel direkt in das Gehirn junger Tiere wurden Vertreter der großen Soldaten-Kaste aktive Futtersammler und suchten zudem nach neuen Futterplätzen. Sie verhielten sich also, als gehörten sie auf einmal zur kleinen Kaste der Kundschafter und Sammler. Verantwortlich ist vermutlich eine Acetylierung am Histon 3 vom Typ K27 (H3K27ac).
Allerdings wirkte die Manipulation des Histon-Codes nur bei jungen Tieren. Bei älteren Ameisen sei die epigenetische Prägung wohl schon zu sehr fixiert, folgern Berger und Kollegen. So oder so, ließen sich die Resultate sehr wahrscheinlich auch auf andere staatenbildende Insekten wie Honigbienen und vielleicht sogar auf Säugetiere und den Menschen übertragen, denn die epigenetischen Mechanismen seien überall die gleichen. „Ameisen sind ein fantastisches Modell für das Studium epigenetischer Regulation von Verhalten und sogar Langlebigkeit, da Königinnen deutlich länger leben als Arbeiterinnen“, kommentiert Berger.
Besonders interessant an der neuen Studie sei, dass sie die Mechanismen früher Entwicklungsprozesse des Gehirns ins Visier genommen habe. Dieses Feld der frühkindlichen Prägung werde angesichts steigender Diagnosen von Verhaltensstörungen gerade auch für Menschen immer wichtiger.
Foto: Ein Vertreter der großen Kaste und zwei Vertreter der kleinen Kaste der Holzameise Camponotus floridanus. Aus einem sehenswerten Video, in dem die Forscher Shelley Berger und Daniel Simola ihr Experiment erklären. Das Video findet sich auf der Website www.eurekalert.org (Bildrechte: AAAS/Carla Schaffer).