Evolution in der Krebszelle

Federico Gaiti et al.: Epigenetic evolution and lineage histories of chronic lymphocytic leukaemia. Nature 569, 15.05.2019, S. 576-580.

In der vorangegangenen Meldung geht es darum, bei Patienten mit Chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) das Netzwerk innerhalb der Zellen zu analysieren, mit dem die verschiedenen molekularbiologischen Strukturen gemeinsam die Genregulation verändern. Einen mindestens genauso tiefen Blick in die einzelne CLL-Zelle wagte jetzt ein internationales Team unter Beteiligung von Alexander Meissner, Mitherausgeber dieses Newsletters. Die Forscher*innen verfolgten, wie sich die Einzelzelle im Laufe des fortschreitenden Krankheitsgeschehens und vor allem auch im Zuge einer Therapie verändert. Dabei werteten sie Daten zu genetischen und epigenetischen Veränderungen aus und schauten sich an, welche Gene in den Zellen gerade abgelesen werden.

Vor allem bei den epigenetischen Markierungen war bislang unklar, inwieweit sich die verschiedenen entarteten Zellen eines oder gar mehrerer Patienten voneinander unterscheiden, da immer nur viele Zellen zugleich analysiert worden waren. Dank der Analyse einzelner Zellen zeigte sich nun, dass sich nicht nur die Blutzellen gesunder Menschen deutlich von jenen von CLL-Patienten unterscheiden. Zudem sind sich die Krebszellen eines Patienten untereinander offenbar sehr viel ähnlicher als seine gesunden Blutzellen. Das spricht dafür, dass sämtliche Krebszellen eines Patienten von der gleichen Linie abstammen – letztlich also von einer Art Urkrebszelle.

Den Forschern gelang es sogar, die Linien einzelner Zellen mit Hilfe der epigenetischen Information zurückzuverfolgen und zu beobachten, wie sich diese in Abhängigkeit von ihrer Vergangenheit im Laufe einer Therapie verändern. Eine epigenomische Analyse auf Einzelzell-Ebene erlaube in Zukunft also vermutlich bessere Prognosen für den Erfolg einer Therapie und gestatte zudem eine detailliertere Überwachung der Behandlung, schreiben die Autor*innen. Gemeinsam mit der zuvor besprochenen Studie aus Heidelberg zeigt sich also schon heute das große Potenzial, das der neueste Trend in der Genregulationsforschung haben dürfte: die so genannte single-cell-omics oder Einzelzellbiologie (siehe auch die Meldung über LifeTime).