Die Französin Jeanne Calment ist bis heute der Mensch, der am längsten gelebt hat. Sie wurde 122 Jahre, fünf Monate und 14 Tage alt. Damit war sie etwa 24 Jahre älter, als es eine neue Analyse der epigenetischen Muster aus 15.000 Proben von 348 verschiedenen Säugetier-Arten statistisch nahe legt. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch, es zeigt vor allem, dass wir Menschen als Art schon jetzt sehr viel mehr aus unseren molekularbiologischen Möglichkeiten herausholen, als die allermeisten anderen Säugetier-Arten.
Biostatistiker um den Deutsch-Amerikaner Steve Horvath von der University of California in Los Angeles berechneten aus den Daten für jede der Tierarten eine für alle geleichermaßen gültige statistische maximale Lebenserwartung. Und diese beträgt beim Menschen, sofern sie in Blutzellen gemessen wird, gerade mal 98,1 Jahre. Verglichen mit anderen Säugetier-Arten nutzt der Mensch sein Alterungs-Potenzial also mehr als gut aus. Bei Grönlandwalen, deren ältestes bekanntes Exemplar auf 211 Jahre geschätzt wird, ist es ähnlich. Die ältesten bekannten Buckelwale sind hingegen weniger alt als epigenetisch zu erwarten wäre.
Grundsätzlich gibt es aber bei allen in der neuen Studie vermessen Tierarten die annähernd gleiche Korrelation zwischen bestimmten epigenetischen Markierungen und der maximalen Lebenserwartung (siehe Abbildung) – sogar bei der höchstens 1,9 Jahre alt werdenden Amerikanischen Maskenspitzmaus. In allen Fällen gelang es den Forschenden, mit der gleichen Formel aus der Epigenetik einzelner Säugetiere, die zu erwartenden maximale Lebensspanne ihrer ganzen Art näherungsweise zu berechnen.
Je nachdem, welche der untersuchten Stellen an der DNA der Tierarten mit epigenetisch aktiven Methylgruppen versehen waren und welche nicht, folgte daraus ein bestimmtes zu erwartendes maximales Alter. Die Berechnung lieferte bei allen Vertretern einer Art ähnliche Ergebnisse, egal wie alt sie waren und welchen Lebensstil sie führten. Die Analyse liefert deshalb auch keine Prognosen für die individuelle zu erwartende Lebenserwartung.
Die untersuchten epigenetischen Markierungen scheinen stattdessen ein arttypisches Programm zu reflektieren, das unabhängig von Umwelteinflüssen ist und dessen Basis in der Evolution bereits vor dem ersten Säugetier entstanden sein muss. Womöglich haben Horvath und Kollegïnnen damit wichtige Hinweise auf grundlegende molekulare Mechanismen des Alterns gefunden.
Unter den zahlreichen weiteren Resultaten stechen zwei besonders hervor: Bei 17 Säugetier-Arten – einschließlich dem Menschen – ist die maximale Lebenserwartung der Art bei weiblichen Vertreterinnen etwas höher als bei männlichen Exemplaren. Und bei allen 90 untersuchten Hunderassen ist die maximale Lebenserwartung unabhängig von der Rasse. Die moderne Rassehundezucht scheint also noch keinen Einfluss auf deren Alterungsprogramm zu haben. Und das, obwohl manche Rassen im Durchschnitt doppelt so alt werden wie andere.