Seit sie erkannt haben, wie wichtig die Epigenetik für die Regulation der Gene ist, wünschen sich Forschende ein Werkzeug, mit dessen Hilfe sie gezielt die Epigenetik verändern können. Mit Hilfe der nobelpreisgekrönten Genschere CRISPR/Cas9 sind sie seit 2021 halbwegs am Ziel. Dabei benutzt eine Technik namens CRISPRoff das CRISPR-Protein nicht zum Schneiden der DNA, sondern zum gezielten epigenetischen Umbau.
Doch noch eignet sich die Methode kaum zum medizinischen Einsatz – und das schon gar nicht zur Behandlung von Krankheiten des Gehirns. Deshalb ist es eine wichtige Nachricht, dass Gentechnikerïnnen vom Whitehead Institute in Cambridge, USA, jetzt eine verbesserte Methode zur sogenannten Epigenom-Edierung vorgestellt haben. Diese soll das Nebenwirkungsrisiko senken und die Erfolgsaussichten erhöhen. Und sie scheint tatsächlich zu funktionieren.
Edwin Neumann und Kollegïnnen konstruierten letztlich einen Bauplan für winzige Maschinen, den sie mit Hilfe manipulierter Viren in Zellen einschleusen können. Dort baut die Zelle nach dem Plan eine Art Transporter, der epigenetisch aktive Enzyme einsammelt und gezielt an eine exakt definierte Stelle der DNA bringt. Erst dort wird das Enzym aktiv – was die Fehlerhäufigkeit senkt – und baut Methylgruppen an die DNA an. Die betreffende DNA-Region wird dauerhaft stumm geschaltet.
Zwei Vorteile hat die neue, CHARM, genannte Technik: Weil die Baupläne viel kleiner als jene von CRISPRoff sind, ist es leichter, sie ohne weitere Schäden oder den Anstoß gefährlicher Immunreaktionen in das gewünschte Gewebe einzuschleusen. Und die neuen Epigenom-Editoren schalten sich nach getaner Arbeit von alleine ab. Das Gen bleibt dann dauerhaft stumm geschaltet, und gleichzeitig sausen nicht immer mehr der nun nutzlos gewordenen Mini-Maschinen in den Zellen herum, wo sie potenziell Unfug treiben können.
Dass die Forschenden mit ihrer Technik Krankheiten tatsächlich effektiv behandeln können, zeigten sie bei Mäusen, deren Nervenzellen wegen einer genetischen Veränderung ein falsches Protein bilden. Die Tiere leiden an einer beim Menschen extrem seltenen aber immer tödlich endenden sogenannten Prionenerkrankung. Dabei sterben nach und nach Nervenzellen ab.
Die künstliche Methylierung des mutierten Gens mit Hilfe der CHARM-Maschinchen sorgte im Gehirn der Mäuse dafür, dass dort nur noch ein Fünftel der Menge des schädlichen Proteins gebildet wurde. Es ist bekannt, dass die Krankheit unter diesen Bedingungen nicht weiter fortschreitet oder sogar zurückgedrängt wird.
CHARM könnte also zur ersten Heilungsmethode bei menschlichen Prionenerkrankungen wie der Creutzfeldt-Jakob Krankheit beitragen. Und sein Einsatz könnte sogar bei weiteren neurodegenerativen Erkrankungen helfen, etwa bei Morbus Alzheimer, Parkinson oder Chorea Huntington. Das schreiben nicht nur Neumann und Kollegïnnen, sondern auch die unabhängigen Fachleute Madelynn Whittaker und Kiran Musunuru in einem Begleitartikel.