Epigenetische Therapie von MS bei Mäusen

Studie zum Bild: Xuezhao Liu et al.: Small-molecule-induced epigenetic rejuvenation promotes SREBP condensation and overcomes barriers to CNS myelin regeneration. Cell 187, 09.05.2024, S. 2465-2484.
In Zellen eines menschlichen Gehirn-Organoids verstärkte die ESI1-Behandlung die Produktion von Myelinscheiden, wie die dicken, langen grünen Stränge in diesem konfokalen Mikroskopbild zeigen. (Bildrechte: Cincinnati Children's Hospital Medical Center)

Xuezhao Liu et al.: Small-molecule-induced epigenetic rejuvenation promotes SREBP condensation and overcomes barriers to CNS myelin regeneration. Cell 187, 09.05.2024, S. 2465-2484.

Multiple Sklerose (MS) ist eine tückische, unheilbare Krankheit, bei der nach und nach die Myelinscheiden verschwinden, die viele Nervenzellen als eine Art Schutzschicht umgeben und weitere wichtige Funktionen haben. Bisherige Therapien bremsen das Fortschreiten des Leidens. Es gibt aber noch keine Behandlung, die zerstörte Zellen wieder regeneriert und damit in Richtung einer möglichen Heilung führt.

Ein neuer Ansatz scheint jetzt genau dieses Ziel mit Hilfe einer epigenetischen Umprogrammierung betroffener Zellen zu erreichen. Bislang wurde das Verfahren aber nur bei Mäusen und in der Petrischale getestet.

Ein internationales Team um den Epigenetiker Qing Richard Lu vom Cincinnati Children`s Hospital, USA, experimentierte mit Mäusen, die an einer Art MS erkrankt sind. Zunächst schauten sie sich die Epigenetik jener Zellen an, die im Gehirn von Mensch und Maus das Myelin erzeugen – Oligodentrozyten genannt. Dabei entdeckten sie, dass in jenen Zellen, die aus Altersgründen oder wegen MS kein Myelin mehr bilden, der Histon-Code verstellt ist und bestimmte Gene stumm schaltet.

An der Stelle H3K27 fehlen Acetylgruppen und es sind vermehrt Methylgruppen an die Histone angelagert, die gemeinsam mit der DNA das Chromatin bilden. Außerdem befinden sich Methylgruppen an der Stelle H3K9. Wegen der Veränderungen ist das Chromatin besonders dicht gefaltet.

Um diesen Prozess umzukehren, testeten die Forschenden mehrere Substanzen. Fündig wurden sie bei einem sogenannte Histondeacetylasehemmer (HDAC-Hemmer) namens ESI1. Wie der Name verrät, verhindert er, dass Enzyme Acetylgruppen von den Histonen entfernen können. Das Chromatin lockert wieder auf, und die Gene können wieder besser abgelesen werden.

Sowohl bei den Mäusen als auch bei menschlichen Gehirn-Organoiden – also künstlichen Mini-Hirnen, die in der Petrischale wachsen – bewirkt der Einsatz von ESI1, dass die Zellen neues Myelin bilden.

Noch ist der Ansatz weit von einer medizinischen Anwendung beim Menschen entfernt. Aber Lu gibt sich zuversichtlich: „Diese Studie ist ein Anfang“, sagt er laut einer Pressemitteilung. „Bevor wir ESI1 entdeckten, glaubten die meisten Forschenden, dass das Versagen der Remyelinisierung bei MS auf die blockierte Entwicklung der Vorläuferzellen zurückzuführen ist.“ Jetzt hätten er und sein Team den Beweis erbracht, dass es vielleicht schon genüge,  den epigenetischen Code in den voll ausdifferenzierten Zellen rückgängig zu machen.

Letztlich verjüngt die Substanz namens ESI1 die Zellen und hilft deshalb vielleicht nicht nur gegen MS, sondern insgesamt bei alterungsbedingten Veränderungen der Oligodentrozyten, schreiben die Forschenden. Selbst wenn sie nicht zum Medikament taugen sollten, so liefern die neuen Resultate aber auf jeden Fall einen wichtigen neuen Therapieansatz.