Buchtipp: Höhenflug der Gero-Science

Buchcover, Das Uhrwerk des Lebens von Ulrich Bahnsen
„Das Uhrwerk des Lebens“ von Ulrich Bahnsen ist 2023 im Quadriga Verlag erschienen. (Bildrechte: Bastei Lübbe AG)

Ulrich Bahnsen: Das Uhrwerk des Lebens. Wie die Medizin den Code des Alterns entschlüsselt. Quadriga, Köln 2023, 239 Seiten, 24,00 EUR [D].

Die Alternsforschung gibt es vermutlich schon so lange, wie es alternde Menschen gibt. Die meisten unserer Vorfahren dürften sich gefragt haben, was sie mit den Jahren gebrechlich werden und oft auch sterben lässt. Sogar die Vorstellung, das Leben habe eine Art „Uhrwerk“, das uns Tag für Tag ein Stückchen weiter auszählt, bis wir greis sind, ist nicht neu.

Was aber ziemlich neu ist, was die Wissenschaft vom Altern derzeit komplett umkrempelt, ist der Umstand, dass Forschende seit einigen Jahren beginnen, das Zifferblatt der Lebensuhr zu lesen. Sie entdecken und verstellen „Das Uhrwerk des Lebens“. So lautet der Titel des neuen Buchs von Ulrich Bahnsen. Der Wissenschaftsredakteur der ZEIT schildert spannend, unterhaltsam und mit unerhörter Souveränität von der unglaublichen Reise der Alternsforschung.

Bahnsen hat acht Jahre lang recherchiert. Mit vielen Protagonisten hat er persönlich gesprochen. Er ließ sich Zeit mit diesem Buch. Zum Glück. Denn nur mit solcher Ruhe kann es gelingen, einem derart „heißen“ Thema gerecht zu werden. Gerade weil sich das Forschungsgebiet, von dem es handelt, derzeit so sehr beschleunigt, dass einem schwindlig werden kann, hilft dieses Buch.

Bahnsen gelingt das Kunststück, auch komplexeste Sachverhalte verständlich aufzubereiten und sorgfältig einzuordnen. Trotz der vielen wichtigen Details verliert der Autor nicht den Überblick und bleibt stets gerade so seriös, dass wir ihm gerne weiter folgen. Es ist wohl wirklich wahr: Die Wissenschaft lernt, die Uhr das Alterns gezielt zu manipulieren. Der Anti-Aging-Traum von dauerhafter Gesundheit und anhaltender Jugend muss kein Traum bleiben – theoretisch zumindest.

Dieser Newsletter berichtet schon seit Jahren über bahnbrechende Studien, die die molekularen Grundlagen des Alterns verstehbar machen. Allen voran die Entwicklung der epigenetischen Alterungsuhr durch Steve Horvath, auch Horvath’sche Uhr genannt oder die Experimente zur Reprogrammierung gealterter Zellen oder ganzer Mäuse von David Sinclair oder Juan Carlos Izpisua Belmonte.

Die Wissenschaft vom Altern stochert längst nicht mehr im Nebel. Sie ist zur molekularbiologisch ausgerichteten Gero-Science geworden. Das Altern wird zum beherrschbaren Phänomen. Und im Zentrum der Entwicklung steht die Wissenschaft von der nebengenetischen Aktivierbarkeit der Gene, Epigenetik genannt. Der Einfluss von Lebensstilfaktoren, Umwelteinflüssen und Medikamenten wird messbar. Mit Hilfe molekularbiologischer Techniken lässt sich die Alternsuhr gezielt verstellen.

Die Wissenschaft hat die Mechanismen des Alterns entdeckt und beginnt, sie im Kampf gegen Krankheit und Gebrechen zu manipulieren. Forschende verjüngen menschliche Zellen oder vollständige Versuchstiere teils um Jahre. Dabei wird das Leben epigenetisch reprogrammiert. Die Umgebung der Gene wird also derart manipuliert, dass die Zellen ins Genregulationsprogramm der Jugend zurückkehren.

Es wird nicht mehr lange dauern, da messen wir unser Alter nicht mehr kalendarisch, sondern nur noch biologisch. Dann sind wir eben immer so alt, wie es unsere Biologie zu diesem Zeitpunkt ist. Eine durchwachte Nacht wird uns rapide altern, ein erholsamer Schlaf deutlich jünger werden lassen. Wir können morgen jünger sein als heute.

Der Deutsch-Amerikaner Steve Horvath, den Bahnsen immer wieder zitiert und dessen epigenetische Uhr die Revolution in der Alternsforschung erst möglich gemacht hat, wird dann längst Nobelpreisträger sein. Nur Unsterblichkeit wird ihm verwehrt bleiben, so wie allen anderen Menschen auch. Das menschliche Leben wird länger werden, da ist sich Ulrich Bahnsen sicher, aber „sterben müssen wir schließlich doch“.

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