Wie Pflanzen Umweltanpassungen vererben

Wie eine Stusie das epigenetische Gedächtnis von Pflanzen erklärt.
Weil bei manchen Vertretern des Echten Leinkrauts (Linaria vulgaris) ein Gen durch angelagerte Methylgruppen stumm geschaltet ist, verlieren die Blüten ihre für Lippenblütler typische Form. Diese epigenetische Mutation wird an die Nachkommen vererbt. Rechts eine epimutierte, links eine normale Blüte. (Bildrechte: Enrico Coen, Norwich, Großbritannien)

Jincan Che et al.: A nested reciprocal experimental design to map the genetic architecture of transgenerational phenotypic plasticity. Horticulture Research 11, 08/2024, uhae172.

Dass Pflanzen epigenetisch gespeicherte Umweltanpassungen über viele Generationen hinweg vererben können, ist schon lange bekannt. Das echte Leinkraut (Linaria vulgaris) kommt deshalb in zwei Formen vor, die früher für unterschiedliche Arten gehalten wurden. Schon im Jahr 1999 entdeckte die britische Forscherin Pilar Cubas mit Kollegïnnen den Mechanismus hinter der variablen Erscheinungsform. Bei manchen der Pflanzen ist ein Gen durch angelagerte Methylgruppen stummgeschaltet. Ihre Blüten haben eine ungewöhnliche Form.

Expertïnnen sprechen in solchen Fällen von phänotypischer Plastizität. Allerdings ist noch immer wenig darüber bekannt, wie die epigenetische Vererbung per Keimbahn funktioniert und welchen Regeln sie folgt. Ein Team chinesischer Forschender um Hauptautor Rongling Wu hat sich deshalb jetzt die Anpassungsstrategien der Ackerschmalwand (Arabidbopsis thaliana) systematisch angeschaut und wichtige neue Erkenntnisse gewonnen.

Testpflanzen waren entweder sehr viel oder sehr wenig Licht ausgesetzt. Im ersten Fall wuchsen ihnen wenige eher kleine, im zweiten Fall viele etwas größere Blätter – eine klare Anpassung, die ermöglicht, dass das Licht optimal ausgenutzt werden kann. Molekularbiologische Basis des Phänomens waren unterschiedliche epigenetische Muster, die für eine systematisch verschiedene Aktivität einer Reihe von Genen sorgten. Letztlich waren große Teile der DNA der Pflanzen unterschiedlich reguliert.

Die Pflanzen vererbten nicht nur ihre Genome, sondern zumindest teilweise auch die Epigenome an die folgende Generation, was diese nachhaltig prägte. So reagierten Pflanzen, deren Vorfahren viel Licht ausgesetzt waren, in einer Umwelt mit wenig Licht deutlich schwächer mit vermehrtem Blattwachstum als Pflanzen, bei denen sich auch schon die Vorfahren an die lichtarme Umwelt angepasst hatten.

Pflanzen sind verwurzelt und können ihrer Umwelt nicht entfliehen. Deshalb macht es Sinn, dass ihre Eltern ihnen Informationen über diese Umwelt mit den Samen mitgeben. Das verhindert, dass die Pflanzen als Antwort auf vorübergehende kurzfristige Umweltveränderungen überreagieren. Denn in der Regel ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Umwelt sich nur wenig und nicht allzu schlagartig verändert.

In Zeiten des menschengemachten Klimawandels gilt diese Regel allerdings nicht mehr. Die neuen Erkenntnisse könnten deshalb helfen, Nutzpflanzen besser und gezielter an drastische Umweltveränderungen anzupassen, hofft Rongling Wu laut einer Pressemitteilung: Resultate wie die aktuellen „könnten den Weg für die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Pflanzen angesichts des Klimawandels ebnen“.