„In der fehlerhaften Prägung des Organismus liegt aber auch die Ursache, warum fast jede erfolgreiche, medizinisch erforderliche Gewichtsabnahme dem berühmten Jojo-Effekt zum Opfer fällt.“ So steht es in meinem 2009 erschienenen Buch „Der zweite Code“. Damals war das noch eine gewagte Aussage. Umso mehr freut es mich, dass jetzt – 15 Jahre später – eine gut gemachte Studie die damalige Hypothese bestätigt.
Das Problem schildern die Autorïnnen der in Nature erschienen Studie – ein Team um den Epigenetiker Ferdinand von Meyenn von der ETH Zürich – ganz ähnlich, wie ich damals: „Die Reduzierung des Körpergewichts zur Verbesserung der Stoffwechselgesundheit und der damit verbundenen Begleiterkrankungen ist ein vorrangiges Ziel bei der Behandlung von Adipositas. Die Aufrechterhaltung der Gewichtsabnahme ist jedoch eine große Herausforderung, zumal der Körper ein adipogenes Gedächtnis zu haben scheint, das sich gegen Veränderungen des Körpergewichts wehrt.“
Die Forschenden entdeckten jetzt, wie dieses „adipogene Gedächtnis“ auf molekularbiologischer Ebene aussieht und das es offenbar epigenetischer Natur ist. Bei Menschen und Mäusen stellten sie zunächst fest, dass das Muster der Genaktivität in den Fettzellen übergewichtiger Individuen auch nach einer erfolgreichen Gewichtsreduktion etwas verändert bleibt.
Das Risiko für ernste Folgeerkrankungen wie Diabetes-Typ-2 oder Leberentzündungen ist dann zwar deutlich verringert, doch neben dieser guten Nachricht gibt es auch eine schlechte: Die Zellen arbeiten noch immer in einem etwas anderen Programm als die Zellen von Probandïnnen oder Labortieren, die zeitlebens normalgewichtig gewesen sind.
In einem zweiten Schritt untersuchten die Forschenden die Epigenetik in den Zellen der Mäuse. Dabei offenbarten sich an einigen Stellen Auffälligkeiten des sogenannten Histon-Codes. Manche der Histone genannten Proteine, die an die DNA angelagert sind, besaßen ungewöhnliche biochemische Anhängsel. Solche Histonmodifikationen beeinflussen, wie leicht oder schwer die Zelle die DNA in der Nachbarschaft der betroffenen Histone benutzen kann.
Tatsächlich waren hiervon auch Gene betroffen, die bereits im zuvor gemessenen Aktivitätsmuster aufgefallen waren, und deren Aktivität einen Einfluss auf das Übergewichtsrisiko haben dürfte. Weitere Experimente ergaben sogar, dass die Tiere mit dem auffälligen Histon-Code bei einem erneuten reichhaltigen Nahrungsangebot sehr viel rascher Gewicht zulegten, als Tiere einer Vergleichsgruppe. Die Analogie zum Jojo-Effekt beim Menschen ist offensichtlich.
Unbeantwortet bleibe vorerst, ob die Epigenetik den unerwünschten Effekt tatsächlich kausal verantworte, aber vieles spreche dafür, schreiben die Autorïnnen. Und so hoffen sie, einen neuen Ansatzpunkt im Kampf gegen wiederkehrendes Übergewicht gefunden zu haben.
Durchaus denkbar also, dass Menschen, die in ein paar Jahren mit einer Diät oder mithilfe der sogenannten Abnehmspritze von einer krankhaften Adipositas befreit wurden, im Anschluss ein epigenetisches Medikament einnehmen können, damit nicht wieder der Jojo-Effekt zuschlägt und alle Mühen umsonst gewesen sind.