Der Stoffwechsel von Menschen ist individuell. Die einen haben deshalb ein sehr viel höheres Risiko, übergewichtig zu werden als die anderen. Ganz neu ist jetzt, dass dafür auch die Umgebungstemperatur aus der Zeit der eigenen Zeugung mitverantwortlich sein kann. Forscher um den Chemiker Christian Wolfrum von der ETH Zürich fanden heraus, dass Schweizer, die in den Monaten Juli bis November geboren sind, überdurchschnittlich schlank sind. Ursache ist vermutlich, dass diese Menschen besonders viel aktives braunes Fettgewebe besitzen (siehe auch Newsletter Epigenetik 04/2011: Schlank machende Mikro-RNA).
Nach Experimenten mit Mäusen handelt es sich hier um eine epigenetisch gesteuerte Anpassung an die Umweltbedingungen zum Zeitpunkt der rund neun Monate zurückliegenden Empfängnis. Die Betroffenen wurden nämlich in den Wintermonaten gezeugt. Das macht es wahrscheinlicher, dass ihre Eltern in den Tagen oder Wochen rings um die Befruchtung besonders niedrigen Temperaturen ausgesetzt waren. Und zum Schutz gegen eben solche niedrigen Temperaturen hat die Natur das nebenbei auch schlank haltende braune Fettgewebe erfunden.
Bei den Mäusen bestätigte sich zunächst der beim Menschen beobachtete Temperatur-Effekt. Die Nachkommen der kühl gehaltenen Mäuseväter schienen trotz einer besonders kalorienreichen Ernährung weitgehend immun zu sein gegen Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten. Zudem zeigte sich, dass es ausschließlich die Väter sind, die die Informationen über die Außentemperatur vererben. Nun analysierten Wolfrum und Kolleg*innen die Epigenetik der Spermien. Und tatsächlich war in den Spermien jener Tiere, die aus der Kälte kamen, das Epigenom – also die Gesamtheit der epigenetischen Strukturen – systematisch verändert. So beeinflussen die männlichen Keimzellen offenbar die Genregulation der später heranwachsende Embryonen. Und das führt irgendwie zur Bildung von aktivem braunem Fettgewebe sehr viel später im Leben.
In dieses Bild – dass die Jahreszeit rings um unsere Zeugung Einfluss auf unseren Stoffwechsel hat – passt auch die Auswertung öffentlich zugänglicher Daten zur Epigenetik menschlicher Zellen des Londoner Genetikers Noah Kessler. Mit Kollegen fahndete er nach besonders wandelbaren Stellen im Epigenom sehr früher Embryonen. Dann verglich das Team diese Daten mit Resultaten eines Stammes aus Gambia, dessen Nahrungsangebot stark davon abhängt, ob gerade Regen- oder Trockenzeit ist. Und tatsächlich waren es genau jene Stellen, an denen offenbar die allerersten Umwelteinflüsse eines neuen Lebens ihre Spuren hinterlassen, an denen sich die zu verschiedenen Jahreszeiten gezeugten Gambier am deutlichsten unterschieden.
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