Johnna R. Swartz et al.: An epigenetic mechanism links socioeconomic status to changes in depression-related brain function in high-risk adolescents. Molecular Psychiatry, 24.05.2016, Online-Vorabpublikation.
Dass toxischer Stress in früher Kindheit, etwa durch Gewalterfahrungen, die Epigenome in Zellen des Gehirns verändert, ist aus vielen Tierversuchen bekannt. Auch für den Menschen wurde der Zusammenhang mit Hilfe epigenomischer Analysen von Blutzellen schon mehrfach bestätigt. Zudem weiß man, dass frühkindliche Traumatisierungen oder auch das Aufwachsen in Armut das Risiko eines Menschen erhöhen, später im Leben eine Depression zu bekommen. Nun gelang es einem Forscherteam von der Duke University in Durham, USA, mit Hilfe einer kleinen Längsschnittstudie einen direkten Zusammenhang zwischen diesen Prozessen herzustellen.
Johnna Swartz und Kollegen testeten 132 Kinder und Jugendliche aus mehr oder weniger armen Verhältnissen zwei Mal im Abstand von zwei Jahren. In Blutproben untersuchten die Forscher, wie stark Methylgruppen an das Gen des Serotonin-Transporters SLC6A4 angebaut waren. Eine epigenetische Blockade dieses Gens ist schon länger als Risikofaktor für Depressionen im Gespräch. Außerdem weiß man, dass sie bei vernachlässigten Kindern oder bei Kindern in Armut besonders häufig ist. Zusätzlich testeten die Forscher in funktionellen Kernspin-Aufnahmen des Gehirns, wie stark die Probanden mit ihrem Angstzentrum, der Amygdala, auf Fotos ängstlicher Menschen reagierten. Auch hier kennt man bereits einen Zusammenhang zwischen einer Übererregbarkeit des Angstzentrums und einer Neigung zur Depression.
Die neue Studie bestätigte nun die bislang nur vermutete Verbindung zwischen Armut in früher Kindheit und erhöhter Neigung zur Depression im späteren Leben: Bei jenen Kindern, die in besonders armen Verhältnissen aufwuchsen, nahm die Methylierung am SLC6A4-Gen zwischen den ersten beiden Messungen stark zu. Parallel dazu stieg auch die Empfindlichkeit der Amygdala an. Und genau jene Kinder, bei denen beide Prozesse beobachtet wurden, hatten in einer Nachuntersuchung ein weiteres Jahr später besonders häufig Symptome einer Depression.
Offen bleibt bislang, welche der vielen negativen Einflüsse, die mit einem Aufwachsen in Armut statistisch häufig verbunden sind, die gefährliche Entwicklung anstoßen. Vernachlässigung, Gewalterfahrungen, aber auch schlechte Ernährung der Säuglinge oder das Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft kommen unter anderem in Betracht. Vermutlich wirken ohnehin mehrere dieser Faktoren gemeinsam. Die Forscher möchten ihr Resultat jedenfalls in einer größeren Studie bestätigen. Dann habe man womöglich einen neuen Test in Händen, der das Depressions-Risiko eines Menschen vorhersagen könne und eine frühzeitige Behandlung oder Prävention ermögliche.