PTBS und Depression auf molekularer Ebene verstehen

Systembiologische Analyse von PTBS und Depression liefert spektakuläre Resultate.
Ein Soldat leidet nach einem Kriegseinsatz unter einem emotionalen Zusammenbruch. Als Traumafolgestörungen drohen unter Umständen eine Depression, eine PTBS oder beides. (Bildrechte: depositphotos / photographee.eu)

Ahyeon Hwang et al.: Single-cell transcriptomic and chromatin dynamics of the human brain in PTSD. Nature 643, 18.06.2025, S. 744-754.

Arturo Marroquin Rivera & Benoit Labonté: Investigating the molecular ‘scars’ oft PTSD in the human brain. Nature 643, 18.06.2025, S. 639-640.

Nur wenige Dinge im Leben dürften komplexer sein, als psychische Krankheiten. Warum manche Menschen an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder einer Depression erkranken und andere trotz ähnlicher Lebensumstände nicht, ist deshalb noch kaum verstanden. Entsprechend schwer tut sich die Forschung mit der Entwicklung personalisierter und wirklich zielgenauer Therapien, die dann auch eine entsprechend hohe Erfolgsquote haben.

Angesichts dieser ernüchternden Bilanz ist es ein riesiger Hoffnungsschimmer, was Systembiologïnnen aus den USA jetzt im Fachblatt Nature veröffentlichten: Einzelzellanalysen von mehr als zwei Millionen Zellen aus dem Stirnhirn von 111 verstorbenen Menschen zeichnen ein derart detailliertes Bild von PTBS, Depression und Gesundheit, dass die Wissenschaft tatsächlich beginnt, psychische Leiden grundlegend zu verstehen.

Für jede der Zellen ermittelten die Forschenden separat, welche Gene dort zuletzt abgelesen worden waren und wie die epigenetische Regulation der Genaktivität ausgesehen hatte. In bislang unbekannter Klarheit ließen sich danach für jeden der zahlreichen Zelltypen des Stirnhirns – von der Blutgefäßwand- bis zur Nervenzelle – eine Art Programm berechnen. Und diese Programme erlaubten wiederum Einblicke in jene Prozesse, die für untersuchte Krankheiten typisch oder vielleicht sogar verantwortlich sind.

Die analysierten Menschen hatten teils eine PTBS, teils eine Depression, oft sogar beides zusammen – oder sie waren psychisch gesund. Die Auswertung der gigantischen Datenmengen lieferte letztlich Muster, die typisch für jeden der verschiedenen Zustände waren. Es ergaben sich unterschiedliche epigenetisches Programme. Diese waren zudem auf die Aufgaben der jeweiligen Zelltypen abgestimmt. Und die Programme für PTBS und Depression überlappten sich in weiten Bereichen.

Eine Gen-Analyse lenkte das Augenmerk zusätzlich auf einzelne Genvarianten, von denen bereits bekannt ist, dass sie das Risiko für psychische Krankheiten beeinflussen können. Ins Bild passt, dass auch diese Varianten die Regulation der Gene verändern – und dass viele der Gene, die davon betroffen sind, ebenfalls zu den systembiologisch aufgespürten epigenetisch gesteuerten Genregulationsprogrammen von PTBS und Depressionen gehören.

Die an der Studie nicht beteiligten kanadischen Hirnforschenden Arturo Marroquin Rivera und Benoit Labonté zeigen sich in einem Begleitkommentar begeistert: Die Studie markiere „eine neue Ära der biologischen Forschung.“ Endlich beginne man, verschiedene psychiatrische Erkrankungen auf molekularer Eben zu klassifizieren und zu verstehen.

„Wissenschaftlerïnnen stehen möglicherweise kurz vor einem tieferen Verständnis der Krankheitsspezifität im Gehirn“, schreiben die beiden weiter. Das werde die Diagnose und Therapie psychischer Krankheiten grundlegend verbessern: „Die molekulare Komplexität, die Forschende seit langem vor Rätsel stellt, wird auf diesem Weg letztlich der personalisierten Medizin zugutekommen.“