Krebszellen sind oft deshalb so aggressiv, weil von ihrer DNA so genannte Transkriptionsfaktoren abgelesen werden, die eigentlich nur bei Zellen aktiv sind, die sich noch entwickeln. Diese Faktoren schalten ein ganzes Netzwerk von Genen an, die für das ungebremste bösartige Tumor-Wachstum sorgen. Jetzt hat ein Team italienischer Neurowissenschaftler*innen einen künstlichen Molekülkomplex erschaffen, der einen solchen Transkriptionsfaktor namens SOX2 imitiert. Der Trick dabei: Die angesteuerten Gene werden nicht aktiviert, sondern im Gegenteil epigenetisch stumm geschaltet. Das neue Mittel schaltet also sehr viele potenzielle Tumorgene gleichzeitig aus. Da ist es letztlich sogar egal, welche dieser Gene den Krebs tatsächlich antreiben und welche nicht.
In Mäuse eingepflanzte menschliche Glioblastome – das ist die gefährlichste Art von Gehirntumor – ließen sich mit der künstlichen Substanz effektiv bekämpfen, sie verschonte aber gesunde Zellen. Weil das SOX2-Netzwerk auch bei vielen anderen Krebsarten involviert ist, hoffen die Forscher*innen zudem auf weitere Einsatzgebiete. Sie schreiben: „Dieser Ansatz bietet eine innovative Strategie zur Entwicklung von molekularen Antitumormitteln, die gegen Glioblastome und andere tödliche Krebsarten wirksam sind.“