Peter Spork: Transgenerationelle Epigenetik: Der Schrecken und sein Erbe. RiffReporter, 24.10.2023.
Die generationsüberschreitende epigenetische Vererbung von Traumata ist seit einigen Jahren ein viel diskutiertes Thema. Gerade jetzt ist es wegen der Kriege in der Ukraine sowie in Israel und Gaza wieder aktuell.
Woran liegt es, dass manche Kriegsopfer eine Traumafolgestörung entwickeln und andere nicht? Was haben Nachkommen von traumatisierten Menschen zu befürchten? Erben sie womöglich das konkrete Trauma oder ist zumindest ihre Gesundheit gefährdet, etwa weil sie eine schlechtere Resilienz gegenüber Stresskrankheiten haben? Vor allem aber: Welche Rolle spielt bei all diesen Prozessen die Epigenetik, und was kann man gegen negative Entwicklungen tun?
In der öffentlichen Diskussion wird das Problem oft sehr ungenau betrachtet. Da werden Erkenntnisse aus Tierversuchen allzu leichtfertig auf den Menschen übertragen. Die Trennlinie zwischen molekularbiologischen, neurobiologischen und psychologischen Einflüssen wird kaum gezogen. Vieles, was nicht in den gleichen Topf gehört, wird durcheinandergeschmissen. Manche Tipps in der Ratgeberliteratur oder von sogenannten Epigenetik-Coaches sind deshalb mit größter Vorsicht zu genießen. Es fehlt ihnen am wissenschaftlichen Fundament.
Peter Spork, Autor und Herausgeber des Newsletter Epigenetik hat in einem ausführlichen Artikel bei RiffReporter den Stand der Wissenschaft zusammengetragen. „Wir verstehen noch nicht ganz, wie epigenetische Veränderungen in der Keimbahn und über die gesamte Entwicklung hinweg bestehen bleiben können“, zitiert er Isabelle Mansuy, eine der profiliertesten Wissenschaftlerinnen auf diesem Gebiet.
Vergangenes Jahr gelang ihr der Nachweis, dass manche Effekte eines frühkindlichen Traumas bei den Nagern sogar über fünf Generationen auftreten können. Erst in der sechsten Generation fand das Team nichts Auffälliges mehr. Es sei also „denkbar, dass auch die Folgen einer Trauma-Exposition von Menschen an ihre Kinder oder sogar Enkelkinder weitergegeben werden“.
Allerdings gehe es dabei nicht um konkrete Verhaltensweisen oder Ängste der Eltern. Stattdessen vererbten die Eltern „einige der molekularen Veränderungen, die durch das Trauma hervorgerufen werden“, sagt Mansuy. Als Folge verändere sich vermutlich das Risiko etwa für Depressionen oder ein metabolisches Syndrom mit Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht.
Zum gleichen Thema hatte Peter Spork unlängst auch einen TV-Auftritt: Gemeinsam mit dem Psychiater und Traumatherapeuten Guido Terlinden spricht er im ARD alpha-thema Gespräch darüber, wie man Traumafolgen erkennt, vorbeugt und behandelt sowie welche Traumafolgen eventuell an Nachkommen vererbt werden können.