Das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS führt zu extremer Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Leistungsschwäche. Besonders tragisch: Anders als bei den meisten ähnlich verlaufenden Leiden, verschlechtert sich der Zustand der Patientïnnen sogar, wenn sie versuchen, gegen ihre Schwäche anzutrainieren. Diese Post-Exertionelle Malaise (PEM) gilt als Leitsymptom der Krankheit.
In der Regel tritt ME/CFS als Folge einer Virusinfektion auf, so auch im Fall von Long Covid, das vermutlich nichts anderes ist, als jene Form von ME/CFS, für die eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verantwortlich zeichnet. Jetzt haben sich Forschende von der schwedischen Universität Linköping die Mühe gemacht, möglichst viele publizierte Daten zur Epigenetik von Menschen mit ME/CFS und Long Covid auszuwerten.
Das chronische Erschöpfungssyndrom hinterlässt demnach eine deutliche epigenetische Fährte. Diese kann man vielleicht nutzen, um Schweregrad und Auslöser des Leidens besser einzukreisen sowie Betroffene in Zukunft zielgenauer zu erkennen und zu therapieren. Noch gebe es leider keine Standardbehandlung, schreiben die Autorïnnen, aber es existierten vielversprechende Ansätze für einige der Betroffenen. Diese könne man mit epigenetischen Tests vermutlich leichter finden.
Spannend sind die Erkenntnisse auch für die Suche nach den biologischen Mechanismen des Leidens. Offenbar programmieren die Viren – neben dem Coronavirus meistens Epstein-Barr-Viren – nach einer Infektion manche Zellen des Immun- und Nervensystems sowie andere Zellen epigenetisch um. So können sie sich auch über die ursprüngliche Infektion hinaus dauerhaft verstecken. Gleichzeitig reagiert der Körper mit epigenetischen Veränderungen auf das Virus.
Traumatische Ereignisse, Verletzungen oder neue Infektionen scheinen die Zellen dann so zu verändern, dass die schlafenden Viren erneut aktiv werden und sich vermehren können. Auch hier dürften epigenetische Strukturen beteiligt sein. Nun fährt der Körper ausgelöst durch die reaktivierten Viren an vielen Stellen den Zellstoffwechsel dauerhaft herunter, was die Erschöpfung zur Folge hat. Für diese These spricht, dass viele der Gene, auf denen die epigenetische Fährte von ME/CFS sichtbar wird, an genau solchen Prozessen beteiligt sind.