Epigenetik beeinflusste Domestikation des Huhns

Drei Hühnerkügen, die aus Kreuzungsexperimenten des HAushuhns mit seiner wilden Vorform entstanden sind.
Küken der Hühner, mit denen in Linköping geforscht wird. Sie sind aus einer Kreuzung von Haushuhn und ihrer wilden Stammform, dem Bankivahuhn, entstanden (Bildrechte: Dominic Wright).

Andrey Höglund et al: The methylation landscape and its role in domestication and gene regulation in the chicken. Nature Ecology & Evolution, 21.09.2020, Online-Vorabpublikation.

Küken der Hühner, mit denen in Linköping geforscht wird. Sie sind aus einer Kreuzung von Haushuhn und ihrer wilden Stammform, dem Bankivahuhn, entstanden (Bildrechte: Dominic Wright).

Vor 20.000 bis 40.000 Jahren wurde der erste Wolf zum Hund – zumindest wenn man aktuellen Studien glaubt. Die ersten Katzen sollen vor rund 4.400 Jahren gezähmt worden sein. Und auch das Huhn wurde wohl schon vor einigen tausend Jahren domestiziert.

Jetzt hat ein Forscher*innenteam um Dominic Wright von der schwedischen Universität Linköping festgestellt, dass den Wandel vom Wildhuhn zum Haushuhn neben genetischen Veränderungen offenbar auch epigenetische Anpassungen vorantrieben. Wright kreuzte moderne Haushühner über acht Generationen hinweg immer wieder mit ihren nächsten wilden Verwandten, den südostasiatischen Bankivahühnern. Schließlich entstanden Hühner mit stark vermischtem Erbgut. Weil dabei aber charakteristische Eigenschaften in den Genen und ihrer epigenetisch aktiven Umgebung erhalten blieben, war es für die Forscher*innen kein Problem, die Herkunft einzelner Abschnitte des Mischlings-Erbguts einer von beiden Ausgangspopulationen zuzuordnen.

Dabei fanden sich einige Gene, die in den untersuchten Zellen der Mischlings-Hühner aufgrund epigenetischer Besonderheiten mehr oder weniger stark abgelesen wurden, je nachdem ob dieser DNA-Abschnitt auf wilde oder auf domestizierte Vorfahren zurückging. Unter diesen Genen waren wiederum solche, die eine bekannte Rolle bei der Prägung des Verhaltens spielen. Und vier dieser Gene kennt man sogar, weil sie mit psychischen Auffälligkeiten bei Menschen in Verbindung gebracht werden.

Vielleicht hat also eine epigenetische Anpassung zu einem der wichtigsten Merkmale von Haustieren wie dem Huhn beigetragen: Die geringe Furcht, die es ihnen erlaubt, in der Nähe des Menschen zu leben. Evolution wird demnach nicht nur von Veränderungen der Gene vorangetrieben, sondern auch von Wandlungen der genetischen Umgebung. Wie diese beiden Codes sich dabei gegenseitig beeinflussen und wie der epigenetische Code über viele Generationen hinweg erhalten bleibt, ist derzeit aber noch weitgehend ungeklärt.

Fest steht dank der neuen Studie allerdings, dass bei den Hühnern nicht nur die Epigenetik die Gene reguliert, sondern umgekehrt auch einzelne Varianten von Genen mitbestimmen können, wie häufig und wo bestimmte epigenetische Markierungen entstehen. So könnte es sehr wohl die klassische genetische Evolution sein, die nebenbei auch die epigenetische Wandlung bewirkt. Das würde dann sogar erklären, wie zumindest Teile des prägenden epigenetischen Musters über Generationsgrenzen hinweg erhalten blieben: Ihre „Bauanleitung“ wurde dann auf herkömmlichem genetischem Weg vererbt.