Schon früh in der Embryonalentwicklung eines weiblichen Säugetiers wird eines der beiden X-Chromosomen weitgehend epigenetisch deaktiviert, damit seine Gene nicht doppelt so häufig abgelesen werden wie bei männlichen Tieren, deren Zellen nur ein X-Chromosom besitzen. Diese so genannte Dosiskompensation ist wichtig für eine gesunde Entwicklung. Wie die epigenetischen Veränderungen am Geschlechtschromosom im Detail ablaufen war bislang aber weitgehend unklar. Deshalb hat jetzt ein Forscherteam um Hendrik Stunnenberg aus dem niederländischen Nijmegen bei Embryonen weiblicher Mäuse ganz genau hingesehen.
Danach werden die Gene von dem mittig gelegenen Zentrum des X-Chromosoms aus deaktiviert. Weniger stark abgelesene Gene werden zudem besonders rasch ruhig gestellt. Während dieser Umbauten sind die Gene auf dem anderen X-Chromosom ganz besonders aktiv, vermutlich um eine Überkompensation zu verhindern. Die wenigen Gene in so genannten Ausreißerzonen, die von der Inaktivierung ausgenommen sind, bleiben die gesamte Zeit über angeschaltet. Sie liegen überwiegend in Regionen, die sich zuvor auch räumlich aneinander gelagert hatten (topologically associating domains, TADs). Es gibt Hinweise, dass das auch für die menschliche Entwicklung gilt.
Foto: So genannte Glückskatzen haben ein dreifarbiges Fell. Sie sind immer weiblich, denn ihr Muster ist eine Folge der X-Chromosomen-Inaktivierung. Ein X-Chromosom enthält das Gen für orangenes Fell, das andere enthält das Gen für schwarzes Fell. Weil es Zufall ist, welches X-Chromosom epigenetisch abgeschaltet wird, entstehen orangene und schwarze Flecke (Bildrechte: Radboud University).
English version: How the X chromosome shuts down