Basel Khraiwesh et al.: Transcriptional control of gene expression by microRNAs. Cell 140, 08.01.2010, S. 111-122.
Noch immer ist es ein Rätsel, woher eine Zelle genau weiß, welche ihrer Gene sie durch so genannte DNA-Methylierungen in einen nichtaktivierbaren Zustand versetzen soll und welche nicht. Bei diesem epigenetischen Prozess lagern Enzyme (DNA-Methyltransferasen, DNMTs) Methylgruppen an Cytosin-Basen der DNA an. Das Gen kann dadurch nicht mehr abgelesen werden. Es ist dauerhaft stumm geschaltet.
Nun entdeckten Biologen von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, dass Mikro-RNAs den Enzymen den Weg weisen können: Die kleinen RNA-Stücke heften sich demnach an komplementäre Abschnitte der DNA und dienen daraufhin den DNMT-Enzymen als Anker. So sorgen sie dafür, dass Methylgruppen gezielt in ihrer Nähe angebracht werden. Bisher dachte man, Mikro-RNAs würden nur direkt in die Genregulation eingreifen, indem sie helfen, komplementäre Boten-RNA-Stränge zu zerstören. Diese so genannte RNA-Interferenz verhindert, dass die Information vom Erbgut in ein Eiweiß übersetzt wird. (Für diese Entdeckung erhielten Craig Mello und Andrew Fire aus den USA im Jahr 2006 den Medizin-Nobelpreis.) Doch nun ist klar, die Mikro-RNAs haben eine zweite wichtige Funktion. Die Fachzeitschrift Cell hält die Entdeckung aus Deutschland jedenfalls für so wichtig, dass sie eine humorvolle Illustration des Mechanismus’ auf ihren Titel nahm.
Vorerst fanden die Forscher den Effekt nur beim Kleinen Blasenmützenmoos und in Hefezellen. Sie gehen aber davon aus, dass er auch in menschlichen Zellen existiert. Läuft er dort aus dem Ruder, könnte das sogar zur Entstehung von Krebserkrankungen beitragen.