Warum schlafen manche Metastasen und andere nicht?

Moritz Jakab et al.: Lung endothelium exploits susceptible tumor cell states to instruct metastatic latency. Nature Cancer, 02.02.2024, online-Vorabpublikation.

Nach der Diagnose Krebs stellt sich meist die Frage, wie aggressiv die bösartige Erkrankung ist. Wie schnell wächst ein Tumor? Neigt er zur Metastasierung oder hat sogar schon Tochtergeschwulste über Blut- oder Lymphbahn in den Körper gestreut? Und schließlich: Wie gefährlich sind die Metastasen? Wachsen sie in den befallenen Organen bereits zügig zu neuen, lebensbedrohlichen Tumoren heran? Oder verharren sie meist unentdeckt in einer Art Ruhestadium und können jederzeit zu einer neuen Bedrohung werden?

All das sind Fragen, die mitunter über Leben und Tod entscheiden. Und es sind Fragen, auf die neue epigenetische Tests erste vorsichtige Antworten geben können. Bei einigen Krebsarten fanden Forschende zum Beispiel verschiedene DNA-Methylierungsmuster, die entscheiden, ob bestimmte Gene im Tumor epigenetisch stumm geschaltet sind oder nicht. Und weil diese Gene die Aggressivität des Tumors beeinflussen, können epigenetische Tests bei der Einschätzung von Krebserkrankungen helfen.

Jetzt fand ein Team der Universität und des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg epigenetische Unterschiede bei Metastasen, die maßgeblich für deren Verhalten sind. Moritz Jakab und Kollegïnnen untersuchten in Mäusen, wie sich Metastasen in Lungengewebe einnisten und ausbreiten. Dabei stellten sie fest, dass auch genetisch gleiche Krebszellen sich völlig verschieden verhalten können, je nachdem, ob ihre DNA besonders stark mit Methylgruppen versehen ist oder nicht.

Bei den weniger stark methylierten Krebszellen sind offenbar Gene aktivierbar, die auf Botenstoffe namens Wnt reagieren, die die Zellen der Blutgefäßwand ausschütten. Das veranlasst die Metastasen, das Blutgefäß zu verlassen und sich als „schlummernde“ Krebszelle im Lungengewebe einzunisten. Stark methylierte Krebszellen reagierten hingegen nicht mehr auf Wnt. Sie teilen sich noch im Blutgefäß und wachsen rasch zu neuen Tumoren heran.

„Diese Resultate sind überraschend und könnten weitreichende Folgen für die Tumordiagnostik und Therapie haben. So könnten beispielsweise bestimmte Methylierungsmuster als Biomarker genutzt werden, um Vorhersagen zu treffen, wie hoch die Last an ruhenden Krebszellen und wie wahrscheinlich damit der Rückfall nach erfolgreicher Behandlung des Primärtumors ist“, sagt Studienleiter Hellmut Augustin in einer Pressemitteilung. „Doch vorher müssen wir prüfen, ob sich natürliche Tumoren des Menschen genauso verhalten wie die verwendeten Zelllinien oder experimentellen Tumoren.“