Stress und seine epigenetischen Folgen

Karl M. Radtke et al.:Transgenerational impact of intimate partner violence on methylation in the promotor of the glucocorticoid receptor. Translational Psychiatry 1, 19.07.2011, S. e21.
Marilyn J. Essex et al.: Epigenetic vestiges of early developmental adversity: childhood stress exposure and DNA methylation in adolescence. Child Development, 02.09.2011, Online-Vorabpublikation.
Richard S. Lee et al.: A measure of glucocorticoid load provided by DNA methylation of Fkbp5 in mice. Psychopharmacology, 21.04.2011, Online-Vorabpublikation.
Gianluca Ursini et al.: Stress-related methylation of the Catechol-O-Methyltransferase Val158 allele predicts human prefrontal cognition and activity. The Journal of Neuroscience 31, 04.05.2011, S. 6692-6698.
Tamara B. Franklin et al.: Influence of early stress on social abilities and serotonergic functions across generations in mice. PLoS One 6, 25.07.2011, e21842.

Der Einfluss starker psychischer Belastung auf die epigenetische Programmierung der so genannten Stress-Achse mit den Folgen eines zeitlebens erhöhten Risikos für Stresskrankheiten gehört zu den best untersuchten Beispielen für epigenetische Prägung. Auch jetzt erschienen wieder mehrere wichtige Publikationen zum Thema.

Karl Radtke und Kollegen fanden heraus, dass 10- bis 19-jährige Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft misshandelt worden waren, ein verändertes Methylierungsmuster am Gen des Glucocorticoid-Rezeptors haben, was eine überempfindliche Stressreaktion auslösen kann. Ein kanadisches Forscherteam untersuchte das DNA-Methylierungsmuster bei mehr als hundert 15-jährigen Heranwachsenden, deren Eltern sie in früher Kindheit wegen großer Belastungen vernachlässigen mussten. Mütterlicher Stress verändert danach die DNA-Methylierung der Kinder an 139, väterlicher Stress an 31 Stellen.

Richard Lee und Kollegen entdeckten in Versuchen mit Mäusen eine epigenetische Besonderheit, die man vermutlich gut als Biomarker für die Intensität einer zurückliegenden Belastung einsetzen kann. Das Gen Fkbp5 war umso stärker methyliert, je mehr Stresshormonen die Tiere in den zurückliegenden vier Wochen ausgesetzt waren. Und eine Arbeit aus Italien zeigt besonders detailliert, wie sich Stress direkt auf die menschliche Hirnphysiologie auswirkt: Der Stress bringt die Methylierung eines bestimmten Gens aus dem Gleichgewicht, was letztlich die Gedächtnisleistung in der Großhirnrinde beeinträchtigt.

Schließlich zeigten Tamara Franklin und Kollegen, dass stressbedingte epigenetische Veränderungen bei Mäusen auch an folgende Generationen weitergegeben werden können. Die Tiere wurden kurz nach der Geburt traumatisiert, was das Gen für den Serotonin-Rezeptor in einer bestimmten Hirnregion epigenetisch hemmte und die Tiere zeitlebens überängstlich machte. Die gleichen Veränderungen waren auch noch zwei Generationen später nachweisbar.