Mikro-RNA lässt neue Herzgefäße sprießen

Newsletter Epigenetik: Mikro-RNA-Therapie lässt Herzkranzgefäße wieder sprießen
Kleine extrazelluläre Vesikel mit viel Mikro-RNA miR486-5p (rechts) regen das Wachstum neuer Blutgefäße in infarktgeschädigten Makaken-Herzen besser an, als Vesikel mit Nährlösung (links) oder funktionsloser RNA (Mitte). (Bildrechte: Q. Li et al., Science Translational Medicin, 2021)

Qingju Li et al: Small extracellular vesicles containing miR-486-5p promote angiogenesis after myocardial infarction in mice and nonhuman primates. Science Translational Medicine 13, 10.03.2021, eabb0202.

Schon lange hofft die Medizin darauf, geschädigte Herzen von Infarktpatient*innen mit Stammzellen zu kurieren. Die besonderen Zellen, die sich zu den verschiedensten Geweben weiterentwickeln können, sollen abgestorbene Muskeln und Herzkranzgefäße ersetzen oder deren Wachstum anregen. Da die meisten implantierten Stammzellen aber rasch sterben, blieb der Erfolg dieses Ansatzes bislang aus. Deshalb versuchen Kardiolog*innen längst etwas Neues: Sie pflanzen keine Zellen mehr ein, sondern geben in die Herzen so genannte extrazelluläre Vesikel, die im Labor von Stammzellen erzeugt wurden. Diese enthalten einen regelrechten Cocktail an Botenstoffen, darunter auch solche, die epigenetisch aktiv sind.

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Kleine extrazelluläre Vesikel mit viel Mikro-RNA miR486-5p (rechts) regen das Wachstum neuer Blutgefäße in infarktgeschädigten Makaken-Herzen besser an, als Vesikel mit Nährlösung (links) oder funktionsloser RNA (Mitte). (Bildrechte: Q. Li et al., Science Translational Medicin, 2021)

Nun erzielten Forscher*innen aus China und den USA mit der neuen Methode erstaunliche Erfolge. Qingju Li und Kolleg*innen gelang es nicht nur, mit Hilfe der Vesikel bei Mäusen und Makaken Herzkranzgefäße nach einem Herzinfarkt nachwachsen zu lassen. Sie zeigten auch, welcher der Botenstoffe für einen Großteil des Effekts verantwortlich zu sein scheint. Es handelt sich um die Mikro-RNA miR-486-5p. Diese epigenetisch aktive Substanz verhindert per RNA-Interferenz, dass der Code eines Gens namens Mmp19 in das zugehörige Protein übersetzt wird. Da dieses Protein wiederum den Wachstumsfaktor zersetzt, der neue Blutgefäße sprießen lässt, sorgt die Mikro-RNA dafür, dass das normalerweise vom MmP19-Protein unterdrückte Wachstum anspringen kann und das geschädigten Herz sich regeneriert.

Nur Stammzellen, die schlecht mit Sauerstoff versorgt sind, erzeugen viel miR-486-5p und geben es ihren Vesikeln mit. Vermutlich wollen die Zellen ihre Sauerstoffversorgung ankurbeln, indem sie das Wachstum neuer Blutgefäße anregen. Vesikel von gewöhnlichen Stammzellen helfen den kranken Herzen deshalb auch nur dann, wenn die Forscher*innen sie zuvor künstlich mit der Mmp19 hemmenden Mikro-RNA angereichert haben.

Wichtig ist auch ein weiteres, wegen der geringen Zahl an Versuchstieren aber mit Vorsicht zu betrachtendes Resultat: Die neue Vesikel-Therapie löste bei den Makaken keine lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen aus. Diese Komplikation war bei früheren Studien mit anderen Botenstoffen und Tieren häufig gewesen. „Unsere Studie unterstreicht die Schlüsselrolle extrazellulärer Stammzell-Vesikel mit miR-486-5p für das Wachstum neuer Herzkranzgefäße“, schreiben die Autor*innen. Daraus „könnte sogar ein therapeutischer Ansatz für eine Verbesserung der Reparatur des Herzens“ werden.