John K. Colbourne et al.: The ecoresponsive genome of Daphnia pulex. Science 331, 04.02.2011, S. 555-561. Dieter Ebert: A genome for the environment. Science 331, 04.02.2011, S. 539-540.
„Das Epigenom ist die Sprache, in der das Genom mit der Umwelt kommuniziert“, sagte einst der Epigenetiker Rudolf Jaenisch aus Boston. Nun scheint es, als hätten die Biologen einen Modellorganismus gefunden, der ihnen bei der Analyse solcher Erbe-Umwelt-Interaktionen so gut helfen kann, wie kein anderer. Die Entzifferung des kompletten Erbguts des Wasserflohs Daphnia pulex ergab, dass dieser Kleinkrebs mehr Gene besitzt als jedes andere Tier, dessen Erbgut bisher bekannt ist: rund 31.000 Stück. Der Mensch besitzt dagegen nur rund 22.000 Gene. Offenbar haben Wasserflöhe besonders viele Gene dupliziert, dabei leicht abgewandelt oder in andere Regelkreise eingebaut. So kann der Krebs sehr leicht verschiedene Zustände annehmen, je nachdem, welcher Satz an Genvarianten oder Regelkreisen gerade aktivierbar ist. Und genau darüber bestimmen epigenetische Schalter nicht selten in Abhängigkeit von Signalen aus der Umwelt.
Die große Zahl an Genen ist zusammen mit der Epigenetik also verantwortlich für eine der herausragenden Eigenschaften von Daphnia: ihre enorme Wandelbarkeit. Ein bekanntes Beispiel für diese „phänotypische Plastizität“ ist die Fähigkeit der Wasserflöhe, in Anwesenheit vieler Fressfeinde – beispielsweise Mückenlarven – Auswüchse in Dornen- oder Haubenform zu bilden, die das Gefressenwerden erschweren. Ähnlich faszinierend ist die Reaktion der Kleinkrebse auf Sauerstoffarmut: Die Tiere können dann ihren Hämoglobingehalt um Faktor 15 bis 20 erhöhen.
Bild: Wenn ihnen viele Mückenlarven auflauern, bekommen Wasserflöhe wehrhafte „Dornen“, die rechts im Frühstadium zu sehen sind (Bildrechte: Christian Laforsch / LMU München).