„Meilenstein für die Epigenetik“

ihec-epigenomes.org/news-events/coordinated-paper-release

www.cell.com/consortium/IHEC

www.deutsches-epigenom-programm.de/de/news/deep-publikationen-sind-teil-umfangreicher-sammelveroeffentlichung-durch-ihec

Regelmäßigen Lesern dieses Newsletters wird das Internationale Humane Epigenomkonsortium IHEC bekannt sein. Es wurde Anfang 2010 gegründet (siehe Newsletter Epigenetik 01/2010) und hatte das ehrgeizige Ziel, über mehrere Jahre hinweg mindestens 1.000 Referenz-Epigenome der verschiedensten menschlichen Zelltypen zu analysieren und in Form so genannter Epigenom-Karten frei verfügbar ins Internet zu stellen. Die Kosten wurden auf 130 Millionen US-Dollar geschätzt. Als Gegenleistung sollte die Menschheit endlich verstehen, was den Unterschied ausmacht zwischen den etwa 250 grundverschiedenen – genetisch aber nahezu identischen – menschlichen Zelltypen sowie ihren Stamm- und Vorläuferzellen und krankhaft veränderten Zellformen. Denn es sind zu einem großen Teil die epigenetischen Strukturen, die das Alter und die Identität einer Zelle ausmachen sowie sich entweder als Begleiterscheinung von Krankheiten systematisch wandeln oder sogar als eine Art Gedächtnis für Umwelteinflüsse das Krankheitsrisiko direkt beeinflussen. Viele dieser Fragen sollen mit Hilfe der Epigenom-Karten beantwortet werden, da jede Karte die epigenetischen Strukturen einer typischen Zellsorte in einem typischen Stadium widergibt.

In einer ersten Serie von 24 gleichzeitig veröffentlichten Publikationen unterstrich im Februar 2015 der US-amerikanische IHEC-Partner, die NIH Epigenome Roadmap, erstmals das unerhörte Potenzial dieses Ansatzes (siehe Newsletter Epigenetik 01/2015). Und jetzt folgt IHEC mit einem noch größeren Wurf: Die Epigenomiker aus aller Welt publizierten in mehreren renommierten Zeitschriften ganze 41 Studien zugleich – 24 davon alleine in der Zeitschrift Cell.  Dieses Mal sind auch die deutschen und die europäischen IHEC-Mitglieder beteiligt. Seit 2011 sind die Europäer mit dem EU-Projekt BLUEPRINT und seit 2012 auch das deutsche Epigenomprogramm DEEP bei der Epigenomkartierung dabei.

Jörn Walter, Genetiker an der Universität des Saarlandes, Mitherausgeber dieses Newsletters sowie stellvertretender Vorsitzender von IHEC und Koordinator von DEEP wertet die neuen Resultate als „eine mehr als beeindruckende Zwischenbilanz und einen Meilenstein für die Epigenetik“. Die 17 an DEEP beteiligten Arbeitsgruppen untersuchen Störungen im Programm von Zellen, die bei Fettleibigkeit, entzündlichen Darmerkrankungen und chronischen Gelenksentzündungen wie Arthritis eine Rolle spielen. Vier Publikationen haben sie direkt zur Sammelveröffentlichung beigetragen und indirekt an einigen weiteren mitgearbeitet, nicht zuletzt im Rahmen des EU-Projekts BLUEPRINT.

So hat die Gruppe von Jörn Walter gemeinsam mit Julia Polansky vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum eine Analyse von Zellen unseres Immunsystems vorgenommen und dabei erstmalig das gesamte epigenetische Netzwerk so genannter langlebiger T-Gedächtniszellen erfasst. Marcel Schulz vom Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken präsentierte mit Kollegen eine neue bioinformatische Methode namens TEPIC, die es erlaubt, aus epigenomischen Daten alleine sehr genau vorherzusagen, welche ihrer genetischen Information eine Zelle wie stark benutzt. Spannend sind auch Resultate von Bernhard Horsthemke von der Universität Duisburg-Essen und Kollegen: Sie zeigen, welche epigenetischen Umbauten im Erbgut bestimmter, Monozyten genannter Immunzellen stattfinden müssen, damit daraus in kürzester Zeit so genannte Makrophagen oder Fresszellen entstehen, die sich Fremdstoffe und abgestorbene Zellbestandteile einverleiben. Ein Überblick über alle 41 Studien findet sich auf einer speziellen Internetseite von Cell.

Foto: Prof. Dr. Jörn Walter, Universität des Saarlandes (Bildrechte: Jörg Pütz).