Hoffnung auf epigenetische Therapie gegen Hodenkrebs

Sina Jostes et al.: The bromodomain inhibitor JQ1 triggers growth arrest and apoptosis in testicular germ cell tumours in vitro and in vivo. Journal of Cellular and Molecular Medicine, 27.12.2016, Online-Vorabpubplikation.

Etwa einer von 250 Männern im Alter zwischen 30 und 35 Jahren wird jährlich mit der Diagnose Hodenkrebs konfrontiert. Meist lässt sich die Krankheit gut behandeln, doch in seltenen Fällen versagt die gängige Therapie. Ein internationales Forscherteam um Hubert Schorle von der Universität Bonn erprobte deshalb nun in Experimenten mit Mäusen einen epigenetischen Behandlungsansatz. Zum Einsatz kam zunächst eine Substanz namens JQ1. Sie hemmt epigenetisch aktive Proteine aus der Gruppe der Bromodomains, deren Aufgabe darin besteht, Acetylgruppen im Histon-Code zu erkennen und dadurch die Genaktivität zu verändern. Durch die Hemmung dieser Proteine werden in den Krebszellen Gene aktiv, deren Produkte letztlich zum zellulären Selbstmord (Apoptose) führen. Im Tierexperiment schrumpften dadurch die Tumoren. Gesunden Zellen scheint JQ1 hingegen nur wenig anhaben zu können.

Um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, kombinierten die Forscher das Mittel mit einem zweiten epigenetischen Medikament namens Romidepsin. Dieses hemmt als so genannter HDAC-Hemmer das Enzym Histondeacetylase (HDAC), das Acetylgruppen von Histonen entfernt und betroffene Stellen des Erbguts dadurch in einen nicht oder nur schwer aktivierbaren Modus überführt. Aus einer früheren Studie wussten die Forscher, dass auch Romidepsin gegen Hodentumoren bei Mäusen hilft. Es macht ebenfalls bestimmte Gene aktiver, wirkt also ähnlich wie JQ1, aber auf einem völlig unabhängigen Weg. Die neue Studie ergab nun, dass die Kombination beider Mittel selbst dann erfolgreich ist, wenn jedes deutlich geringer dosiert wird als beim vergleichsweise nebenwirkungsreichen Einsatz als Einzelmedikament. Daher keimt jetzt die Hoffnung auf eine möglichst effektive aber nebenwirkungsarme epigenetische Kombinationstherapie für bislang nicht behandelbare Hodentumoren. Wie immer in solchen Fällen wartet allerdings noch eine besonders hohe Hürde auf die Forscher: Sie müssen zeigen, dass sich die Resultate auf den Menschen übertragen lassen und in der Klinik anwendbar sind.

Foto: Professor Dr. Hubert Schorle (links) und Dr. Daniel Nettersheim (mitte) untersuchen mit der Doktorandin Sina Jostes (rechts) Veränderungen in der Genexpression nach JQ1-Behandlung von Hodenkrebszellen (Bildrechte: Simon Schneider/Institut für Pathologie/UKB).