Leberkrebs ist häufig und gefährlich. Weltweit werden etwa eine Millionen neue Lebertumore diagnostiziert, etwa vier von fünf Betroffenen sterben an dem Leiden. Jetzt entdeckte ein Team um den bekannten Epigenetiker Manel Esteller von der Universität Barcelona eine neue epigenetische Veränderung, die für manche Leberkrebs-Tumore typisch ist. Sie scheint den Krebs zum einen aggressiver zu machen, eröffnet zum anderen aber auch neue Therapieoptionen.
Bei der Veränderung handelt es sich um eine besonders starke epigenetisch aktive Anlagerung von Methylgruppen (DNA-Methylierung) an der Kontrollregion für ein Gen namens NSUN7. Das Gen kann dadurch von der Zelle weniger stark abgelesen werden als zuvor. Eine der Aufgaben des von diesem Gen codierten Enzyms ist die ebenfalls epigenetische Stabilisierung einer Boten-RNA, die deshalb mehr genetische Information zum Bau bestimmter Proteine übermitteln kann, weshalb diese in der Zelle häufiger sind. Der Ausfall von NSUN7 führt nun indirekt dazu, dass ein Krebs-förderndes Gen (Onkogen) namens MYC besonders aktiv wird und den Leberkrebs aggressiver macht.
Esteller fasst das Resultat in einer Pressemitteilung wie folgt zusammen: „Wir haben beobachtet, dass das NSUN7-Gen in Lebertumoren einen Funktionsverlust erleidet, der zu einem Abbau seiner RNA-Ziele führt, was letztlich eine Superaktivierung des MYC-Onkogens bewirkt.“ Das wiederum ermöglicht den Einsatz einer neuen Klasse von epigenetischen Medikamenten, die unter anderem das MYC-Onkogen unterdrücken können.
Sie unterdrücken sogenannte Bromodomänen, die den epigenetisch wichtigen Histon-Code „lesen“ und gezielt verändern können, und heißen deshalb Bromodomain-Hemmer. Die Spanier halten es für denkbar, dass man in Zukunft zunächst bei Leberkrebs-Patient*innen analysiert, ob in den bösartigen Zellen das NSUN7-Gen methyliert ist oder nicht. Im ersten Fall könnte man testen, ob Bromodomain-Hemmer wirken. Im zweiten Fall könnte der aktuellen Studie zufolge eine andere Therapieoption helfen: Dieser Typ von Lebertumor scheint immunologisch besonders aktiv zu sein und ist deshalb womöglich besonders empfänglich für Immuntherapien.