Epigenetik und Psychotherapie

www.spektrum.de/news/psychotherapie-fuer-die-gene/1737168

„Wir haben uns immer gefragt, wie die Umwelt eigentlich mit unseren Genen spricht“ zitiert das Internetportal spektrum.de die ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Freiburg, Katharina Domschke. Gerade für den Einfluss der Psychotherapie war diese Frage immer besonders wichtig. Schon seit Jahren ist es eine schlüssige Theorie, dass Psycholog*innen die Situation ihrer Patient*innen vor allem deshalb bessern oder diese oft sogar heilen können, weil sie mit den Genen „sprechen“. Die Idee dahinter: Durch gesteuerte Veränderungen von Umweltsituationen und Lebensstil justieren die Therapien die epigenetischen Strukturen in beteiligten Nervenzellen neu. Damit beseitigen sie im Idealfall die molekularbiologische Prägung, die zur psychischen Störungen geführt hat.

Domschke publizierte im Jahr 2016 mit Kolleg*innen eine der ersten bahnbrechenden Studien, die zeigte, dass eine erfolgreiche Psychotherapie die Epigenetik Betroffener tatsächlich zum Guten verändern kann (Translational Psychiatry 6, e773). Nach einer Verhaltenstherapie war die Markierung am Gen MAOA in Blutzellen nur bei jenen Patientinnen mit einer Angststörung normalisiert, bei denen die Therapie auch gewirkt hatte. Bei den andern war sie nach wie vor pathologisch verändert. Die Patientenzahl dieser Untersuchung war zwar gering, aber mittlerweile gibt es mehrere ähnliche Studien. Damit reift die Idee, man könne mit Hilfe der Epigenetik eines Tages handfeste Biomarker finden, mit denen man den Erfolg einer Psychotherapie kontrollieren und vielleicht sogar im Voraus im Sinne einer Präzisionspsychotherapie das optimale Verfahren auswählen könnte.

Wichtig scheint in diesem Zusammenhang auch die Analyse der Epigenetik rings um ein Gen namens FKBP5. Der Newsletter Epigenetik hat schon öfters darüber berichtet, dass die Aktivierbarkeit dieses Gens mit darüber entscheidet wie empfindlich Menschen auf Stress reagieren – wie anfällig sie letztlich also für Stresskrankheiten sind. Mit solchen und ähnlichen neuen Erkenntnissen, aber auch mit den vielen Fragezeichen, die man bislang noch hinter die Resultate und ihre oft allzu waghalsige Interpretation setzen sollte, beschäftigt sich der lesenswerte Artikel des Kollegen Frank Luerweg. Er heißt „Psychotherapie für die Gene?“ und erschien am 23. August 2020.