Epigenetik der Gehirn-Entwicklung

Paola Tognini et al.: Experience-dependent DNA methylation regulates plasticity in the developing visual cortex. Nature Neuroscience 18, 07/2015, doi: 10.1038/nn.4026.

Damit wir lernen können, baut sich das Gehirn permanent um. Nervenzellen bilden neue Auswüchse und knüpfen haufenweise neue Kontakte (Synapsen) zu anderen Nervenzellen. Gleichzeitig werden überflüssige Kontakte und Nervenzell-Fortsätze abgebaut. Für all diese Veränderungen müssen die Zellen zwischen verschiedenen Gen-Aktivierungsmustern wechseln – und das erfordert natürlich das Umschalten in verschiedene epigenetische Programme. Gut untersucht ist bereits, dass sich das Muster der DNA-Methylierung in Nervenzellen häufig wandelt. Auch dass es Mäusen das Gedächtnis raubt, wenn man Enzyme blockiert, die Methylgruppen an die DNA anbauen (DNA-Methyltransferasen, DNMT), weiß man schon lange (siehe Abbildung).

Epi_Abb11_David SweattOb die DNA-Methylierung aber auch im Zuge der normalen Entwicklung des Gehirns benötigt wird, war bislang unklar. Doch jetzt fanden italienische Neurobiologen heraus, dass sich die Großhirnrinde von Mäusen nur dann vernünftig entwickelt, wenn auch ihre Epigenetik funktioniert. In einem klassischen Experiment zur Plastizität des sich entwickelnden Nervensystems deckten die Forscher während einer kritischen Phase jungen Mäusen für drei Tage ein Auge ab. Wie erwartet bildete sich der dazugehörige Teil der Großhirnrinde zurück. Gleichzeitig veränderte sich das Methylierungsmuster an der DNA der beteiligten Zellen. Hemmten die Forscher aber die zuständigen Enzyme mit einem DNMT-Hemmer (RG108), blieb das Abdecken des Auges ohne Folgen.

Abbildung: DNA-methylation in memory formation heißt das abstrakte Acrylbild des US-amerikanischen Hirnforschers David Sweatt. Gemeinsam mit Courtney Miller publizierte er in der Fachzeitschrift „Neuron“ schon 2007 Daten, nach denen man mit einer Hemmung der DNA-Methylierung das Gedächtnis von Mäusen löschen kann (Bildrechte: David Sweatt, Birmingham, USA).