Es klingt verrückt, wurde jetzt aber wissenschaftlich belegt: Wenn sich eine trächtige Maus zu fettreich ernährt, kann schon das Aroma des Essens dazu beitragen, dass der Nachwuchs später im Leben ein erhöhtes Übergewichtsrisiko hat – völlig egal, ob die Mutter wirklich mehr Kalorien zu sich nimmt und womöglich sogar selbst übergewichtig und krank ist oder nicht.
Forschende vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln und Kollegïnnen fütterten eine Gruppe von Mäusen mit normalem Futter. Eine andere erhielt das gleiche Futter, dem lediglich der Geruch und Geschmack von Speck beigesetzt war. Und obwohl der Gesundheitszustand der Mütter und die Zusammensetzung der Nahrung bis auf das Aroma gleich waren, entwickelten die Nachkommen unterschiedliche Essensvorlieben.
Wer schon im Mutterleib und während des Säugens mit Speckaroma konfrontiert worden war, mochte auch später im Leben besonders gerne fettreiche Nahrung und hatte zudem eine geringere Stoffwechselaktivität. Das Belohnungssystem im Gehirn war entsprechend programmiert: Es schüttete als Reaktion auf fettreiche Nahrung besonders viel des erregenden Botenstoffs Dopamin aus. Logische Konsequenz: Konsum von Fett wird belohnt, das Risiko für Übergewicht steigt.
Phänomene wie diese sind schon lange als perinatale Programmierung bekannt. Sie erklären, warum die ersten 1000 Tage im Leben eines Menschen – gerechnet ab der Zeugung – so wichtig sind. Viele gut gemachte Studien deuteten bislang allerdings darauf hin, dass es vor allem die zu kalorienreiche Ernährung der Mutter sowie ihr allgemeiner Gesundheitszustand sind, die die Nachkommen epigenetisch so verändern, dass ihr Stoffwechsel anders arbeitet und sie selbst eher Stoffwechselkrankheiten bekommen.
Vorausgesetzt das Mäuse-Experiment lässt sich übertragen, zeigt sich nun jedoch, dass die Mutter noch so gesund sein und sich ernähren kann, wenn sie während der Schwangerschaft plötzlich sehr viel Lust auf ungesundes Essen bekommt, prägt das auch den Nachwuchs in eine ungesunde Richtung. Offenbar reicht es, dass Geruchsstoffe über das Fruchtwasser oder die Muttermilch bis zum Fötus durchdringen.
Die Autorïnnen der aktuellen Studie sehen zudem eine wachsende Gefahr darin, dass moderne verarbeitete Nahrungsmittel immer häufiger Aromen und andere Lebensmittelzusatzstoffe enthielten. Das könne während der biologischen Entwicklung von Föten und Neugeborenen zu „einer Fehlanpassung zwischen sensorischen Signalen von Lebensmitteln und dem erwarteten Kaloriengehalt führen“. Und diese Fehlanpassung kann das Essverhalten und die Gesundheit noch Jahrzehnte später negativ beeinträchtigen.
Ob die neurobiologische Veränderung des Belohnungssystems im Gehirn, die dem Effekt zugrunde liegt, epigenetische Ursachen hat, wurde in der vorliegenden Studie nicht untersucht. Aber eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass auch das denkbar ist: Damals mussten trächtige Mäuse täglich den Geruch von Raubtieren ertragen. Das führte zu epigenetischen Veränderungen des Angstsystems der Nachkommen. Und diese reagierten später im Leben außergewöhnlich sensibel auf Raubtiergeruch.