Schon viele Studien haben gezeigt, dass in früher Kindheit vernachlässigte oder traumatisierte Mäuse später im Leben auffällige Verhaltensweisen zeigen. Sie sind oft weniger ängstlich oder aggressiv manchmal aber auch apathisch, panisch oder übertrieben ängstlich. Solche Auffälligkeiten konnten Forschende auch noch drei Generationen später bei Nachkommen beobachten, die völlig normal aufgewachsen sind (s. Newsletter Epigenetik 30).
Das Phänomen erklären viele Epigenetiker*innen mit einer transgenerationellen epigenetischen Vererbung. Sie vermuten, dass epigenetische Anweisungen zur Aktivierbarkeit von Genen über die Keimbahn an folgende Generationen weitergegeben werden. Nun veröffentlichten kanadische und italienische Forschende eine Studie, die bisherige Erkenntnisse bestätigt. Außerdem scheint ein Medikament zu helfen, das auch bei Menschen eingesetzt werden könnte.
Marco Battaglia und Kolleg*innen trennten junge Mäuse zunächst von ihrer Mutter, was bei ihnen selbst, aber auch bei den beiden folgenden Generationen eine dauerhaft erhöhte Neigung zu Panik und ein gesteigertes Schmerzempfinden bewirkte. Verantwortlich war in allen drei Generationen eine epigenetische Veränderung in bestimmten Nervenzellen des Gehirns. Ihretwegen wurde dort eine Gruppe von Genen namens ASIC besonders viel abgelesen.
Panik und Schmerz ließ sich bei den Tieren aller drei Generationen durch das Inhalieren eines Sprays namens Amilorid verhindern. Dieses Mittel hemmt die Wirkung des ASIC-Genprodukts und normalisiert deshalb die veränderten Nervenzellen. Nun spekulieren die Forschenden, Amilorid sei eventuell auch ein gutes Mittel im Kampf gegen Angst- und Schmerzstörungen bei Menschen.
Bei der Frage, ob sie einen weiteren Fall von transgenerationeller epigenetischer Vererbung gefunden haben, bleiben Battaglia und Kolleg*innen vorsichtiger: Die generationsüberschreitende epigenetische Übertragung sei bei Säugetieren eingeschränkt. „Wir interpretieren unsere Ergebnisse deshalb als Hinweis, dass sie durch epigenetische Mechanismen erklärt werden können, aber nicht als unumstößlichen Beweis,“ schreiben sie.