Intro zur Ausgabe 1/16, März 2016

Peter_Spork(C)Tilman_Frischling1401_p(Hamburg, 26. Februar 2016) Dieser Newsletter hat nicht umsonst eine eigene Rubrik für Onkologie. Gerade in der Krebsforschung stellt die Epigenetik immer wieder unter Beweis wie wichtig sie ist. Epigenetische Veränderungen sind typisch für praktisch jede Krebserkrankung. Sie entscheiden manchmal darüber, wie aggressiv ein Tumor ist und vielleicht sogar, ob er überhaupt entsteht. Die Theorie dahinter ist einfach: Schalten epigenetische Markierungen ein Tumorsuppressor-Gen ab, also ein Gen, dessen Aktivität vor Krebs schützt, erhöht das ebenso das Krebs-Risiko, wie das epigenetische Anschalten eines Gens, das den Code eines krebsfördernden Proteins enthält.

Kein Wunder, dass Pharmafirmen auf der ganzen Welt nach neuen epigenetischen Krebsmedikamenten und –diagnostika fahnden. Einige wenige Mittel sind sogar schon zugelassen. Doch womöglich war der bisherige Ansatz zu simpel. Vielleicht sollten Epigenetiker, Onkologen und Pharmakologen viel genauer hinschauen, welche epigenetische Veränderung wo genau welche systematische Veränderung der Erbgutregulation mit sich bringt.

Es scheint jedenfalls, als wäre die schöne Story mit der Epigenetik und dem Krebs ein gutes Stück komplizierter als gedacht. Die Methoden und Werkzeuge der Epigenetik (der Wissenschaft von den epigenetischen Strukturen) und der Epigenomik, (der systematischen Erfassung und Analyse ganzer Epigenome) haben sich dramatisch verfeinert. Und die neuen technischen Möglichkeiten bewirken jetzt gerade in der Onkologie Ernüchterung auf der einen und Euphorie auf der anderen Seite. Für beides liefert die vorliegende Ausgabe des Newsletter Epigenetik schöne Beispiele.

Unter dem Titel Neuer Blick aufs Krebs-Epigenom berichte ich über den epigenomischen Vergleich von Leukämie-Zellen mit jenen Zellen, von denen sie abstammen: B-Lymphozyten. Überraschenderweise zeigte sich, dass die meisten Unterschiede zwischen Krebszellen und gesunden Zellen gar nicht krebstypisch sind. Man kann sie schlicht darauf zurückführen, dass die ersten Tumorzellen von B-Zellen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien abstammen, und dass die Epigenome danach weitgehend beibehalten werden. Die Forscher sollten in Zukunft also noch genauer hinschauen und die wenigen epigenetischen Marker finden, die wirklich wichtig für eine potenzielle epigenetische Krebstherapie sind.

Dass die Bedeutung der Epigenetik für Krebs bislang dennoch unterschätzt worden sein könnte, ist ein mögliches Fazit des Beitrags Paradigmenwechsel in der Krebsforschung? auf Seite 12. Danach ist es die epigenetische Reprogrammierung einer einzigen von vielen genetisch auf Krebs vorprogrammierten Zellen, die den entscheidenden Schritt zur Bösartigkeit markiert. Sollte sich das bestätigen, werden Epigenetiker und Pharmakologen demnächst noch viel, viel mehr zu tun bekommen.

Herzlich, Ihr Peter Spork

PS: Dank an alle Leser, die sich an der Umfrage zum schönsten Titel des Newsletter Epigenetik beteiligt haben. Gewonnen hat die Ausgabe 04/2012 gefolgt von 01/2014, den dritten Platz belegen gemeinsam 04/2013 und 01/2012. Alle Titel finden sich auf www.newsletter-epigenetik.de.