Epigenetiker kennen inzwischen eine Vielzahl verschiedener Modifikationen der Histone. Je acht dieser Proteine bilden gemeinsam mit einem kurzen DNA-Abschnitt, der sich um sie herumwickelt, das Nukleosom, die Grundeinheit des Chromatin genannten Protein-DNA-Komplexes aus dem unser Erbgut besteht. Die Histonmodifikationen – meist Acetylierungen oder Methylierungen – werden auch Histon-Code genannt, weil sie epigenetische Informationen enthalten. Sie bestimmen zum Beispiel, wie leicht oder schwer ein Gen aktiviert werden kann, indem sie das Chromatin mehr oder weniger kompakt zusammenfalten lassen. Es gibt aber auch Histon-Code-Leser. Das sind Proteine, die gezielt an eine bestimmte Art von Histonmodifikation binden – die sie sozusagen lesen – und dabei oft weitere Proteine mit spezifischen Aufgaben zu diesen Stellen hinführen. So kann die Zelle zielgenau einzelne Abschnitte der DNA ablesen, reparieren oder verdoppeln.
Im Newsletter Epigenetik war schon oft von so genannten Bromodomains die Rede, die erkennen, wenn an bestimmten Stellen der Histone Acetylgruppen angelagert sind (siehe z. B. Newsletter Epigenetik 02/2017: Neuartiges Mittel bekämpft Herzschwäche). Biochemiker entwickelten bereits erste Bromodomain-Hemmer. Sie haben ein großes Potenzial als Medikamente, weil sie krank machende, aus dem Ruder gelaufene epigenetische Prozesse sehr viel präziser unterbinden können als epigenetische Mittel der ersten Generation.
Vor wenigen Jahren entdeckten Epigenetiker eine weitere Gruppe von Histon-Code-Lesern, YEATS-Domänen genannt. Diese binden nicht nur an acetylierte Histone. Noch besser erkennen sie so genannte Crotonylierungen. Oft wenn YEATS gemeinsam mit Enzymen eine solche Stelle entdeckt, scheint eine besonders rasch ablaufende Gen-Ablese-Kaskade in Gang zu kommen. Das betroffene Gen ist dann sozusagen superaktiv. Und weil das offenbar besonders häufig in Krebszellen geschieht, die auf diesem Weg auch noch Krebs fördernde Gene anschmeißen, hofft man nun auf eine neue Klasse von Antikrebsmedikamenten. Dazu möchte man YEATS-Domänen noch besser verstehen und Substanzen entdecken, die sie hemmen können. In beide Richtungen haben Forscher nun deutliche Fortschritte erzielt.
Brianna Klein und Kolleg*innen klärten zum Beispiel auf, wie es einer menschlichen YEATS-Variante überhaupt gelingt, spezielle Histonmodifikationen zu erkennen und an die DNA anzudocken. Xin Li und Kolleg*innen entwickelten per biochemischer Anpassung eines Stoffes an eine Bindungsstelle des Proteins eine erste Klasse von YEATS-Inhibitoren. Zudem zeigten die Forscher, dass diese Hemmer tatsächlich in der Lage sind, die Aktivität so genannter Krebs-Gene in Zellkulturen herunter zu regulieren. Thomas Christott wurde schließlich mit Kolleg*innen in einem Screening-Verfahren fündig: Die Forscher sichteten 24.000 Substanzen und entdeckten darunter ebenfalls einen viel versprechenden YEATS-Hemmer.