Hat Homosexualität epigenetische Ursache?

William R. Rice et al.: Homosexuality as a consequence of epigenetically canalized sexual development. The Quarterly Review of Biology 87, 12/2012, S. 343-368.

Mathematiker und Evolutionsbiologen um Sergey Gavrilets von der University of Tennessee stellen ein neues Modell zur Entstehung der Homosexualität zur Diskussion. Demnach verfestigen epigenetische Markierungen an Genen, die auf das männliche Sexualhormon Androsteron reagieren, die normale Entwicklung. Diese Markierungen sollen die Wirkung des Hormons bei männlichen Kindern verstärken und sie bei weiblichen verringern und unterstützen so die Ausprägung der Geschlechter. Normalerweise werden solche epigenetische Schalter aber nicht an die folgende Generation vererbt. Geschieht dies in Ausnahmefällen doch, und gelangt dieser geschlechtsspezifische Teil des Epigenoms zumindest teilweise zu einem Nachfahren des anderen Geschlechts, dann könnte das in der Theorie die Prägung des Geschlechts behindern und zur Homosexualität beitragen. Dieses Modell würde das Rätsel erklären, dass es zwar Hinweise auf die Erblichkeit der Homosexualität gibt, dass man aber keinerlei genetische Markierung finden kann und eineiige Zwillinge nur selten beide homosexuell sind. Gavrilets und Kollegen schlagen sogar einen Test ihrer These vor: Man müsse die Epigenome der Spermien von Vätern mit und ohne homosexuelle Tochter vergleichen und sollte darin eigentlich systematische Unterschiede finden.