Epigenetische Vererbung des Depressionsrisikos

Wie eine Maus ihr Depressionsrisiko an Nachkommen weitergibt
Eine männliche Maus (links) wird gestresst und entwickelt eine „Depression“. Der Mikro-RNA-Gehalt der Spermien und der befruchteten Eizelle ändert sich. Die Mikro-RNAs steuern die Gehirnentwicklung der kommenden Generation, so dass diese weniger resilient gegenüber Stress ist. (Bildrechte: Xi Chen / Nanjing University)

Yanbo Wang et al.: Sperm microRNAs confer depression susceptibility to offspring. Science Advances 7, 10.02.2021, eabd7605.

Depressionen treten oft in Familien gehäuft auf, obwohl bislang nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Risikos auf genetische Unterschiede zurückzuführen ist. Deshalb gerät die epigenetische Vererbung zunehmend in den Fokus. Vor allem Experimente mit Mäusen haben vielfach ergeben, dass sich depressionsähnliche Symptome auch epigenetisch von Vätern auf Nachkommen übertragen. Das geschieht sogar dann, wenn die Muttertiere vollkommen gesund sind und die Nachkommen per künstlicher Befruchtung gezeugt werden. Der Newsletter Epigenetik berichtete zuletzt in Ausgabe 30 darüber (Epigenetische Vererbung über vier Generationen).

Wie eine Maus ihr Depressionsrisiko an Nachkommen weitergibt
Eine männliche Maus (links) wird gestresst und entwickelt eine „Depression“. Der Mikro-RNA-Gehalt der Spermien und der befruchteten Eizelle ändert sich. Die Mikro-RNAs steuern die Gehirnentwicklung der kommenden Generation, so dass diese weniger resilient gegenüber Stress ist. (Bildrechte: Xi Chen / Nanjing University)

Nun liefern chinesische Forscher*innen spannende neue Details. Yanbo Wang und Kolleg*innen setzten ausgewachsene männliche Mäuse längere Zeit unter Stress, so dass sie Symptome eines Zustands zeigten, der an menschliche Depressionen erinnert. Die Kinder dieser Tiere waren auf den ersten Blick normal. Aber sie reagierten auch als ausgewachsene Tiere besonders empfindlich auf Stress und zeigten dann die Symptome ihrer Väter. Eine Gruppe mit gewöhnlichen Vätern und auch die Enkel der ursprünglich gestressten Tiere waren hingegen widerstandsfähiger.

Nun suchten die Forscher*innen nach möglichen Überträgern des Depressionsrisikos. Fündig wurden sie bei Mikro-RNAs in den Spermien. Diese epigenetisch aktiven Substanzen können per RNA-Interferenz die Genregulation und damit die Entwicklung wenige Tage alter Nachkommen beeinflussen. Und tatsächlich kreisten Wang und Kolleg*innen einige, für das Nervensystem wichtige Gene ein, die wegen der Mikro-RNAs aus den Spermien der Väter seltener in Proteine übersetzt wurden. Mit künstlichen Anti-Mikro-RNAs, die diesen Effekt verhinderten, unterbanden die Forscher*innen die epigenetische Weitergabe. Umgekehrt konnten sie den Effekt auch durch die Zugabe künstlicher Mikro-RNAs in frisch gezeugte Nachkommen mit zwei gesunden Eltern auslösen. Zumindest über eine Generation hinweg geben Mäuse ihre Depressionsneigung also epigenetisch weiter.