Kinder erben von ihren Eltern mehr als nur die Gene. So lautet eine der Grundannahmen der generationenüberschreitenden Epigenetik. Im Tierversuch entdecken Forscher deshalb immer wieder, dass auch genetisch identische Individuen, die in möglichst gleichen Umweltbedingungen aufwachsen, ziemlich unterschiedlich sein können. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für solche Experimente liefert jetzt das Team um den Molekularbiologen Ben Lehner vom Zentrum für Genregulation (CRG) in Barcelona. Die Forscher untersuchten geklonte Fadenwürmer der Art Caenorhabditis elegans und schauten, inwieweit ihre Eigenschaften von nichtgenetischen Eigenschaften der Mütter abhängig waren. Dabei entdeckten die Forscher, dass einen wesentlichen Einfluss schlicht das Alter der Mutter hat.
Waren die Mütter besonders jung, waren ihre Kinder in vielfältiger Weise beeinträchtigt. Sie waren kleiner, wuchsen verzögert und konnten schlechter mit Nahrungsmangel umgehen. Außerdem waren sie weniger fruchtbar und ihre Keimzellen entwickelten sich verzögert. Auch die mögliche Ursache konnten die Forscher einkreisen: Ein bestimmtes Biomolekül, der Lipoproteinkomplex Vitellogenin, wird von jungen Müttern noch sehr wenig produziert. Dadurch geben sie den Kindern weniger Eidotter mit und dieser enthält besonders wenig der offenbar wichtigen Substanz. (Das Titelbild dieses Newsletters zeigt den Embryo eines Fadenwurms mit angefärbtem Eidotter und fluoreszierendem Darm.) Die Forscher vermuten, dass das übliche Alter, in dem die Würmer Kinder bekommen, beiderseits durch gegenläufige Prozesse begrenzt ist: in die eine Richtung durch die Vorteile einer besonders frühen Geburt und damit eines kurzen Generationszyklus, in die andere Richtung durch die nun entdeckten nichtgenetisch vererbten Nachteile, die eine allzu junge Mutter ihren Kindern mitgibt.
Bild links oben: Embryo des Fadenwurms Caenorhabditis elegans mit angefärbtem Eidotter und fluoreszierendem Darm (Bildrechte: Lola Davey, Marcos Francisco Perez, CRG).
Bild rechts unten: Embryonen von Caenorhabditis elegans mit fluoreszierendem Eidotter. Je jünger die Mütter waren (weiter links), desto weniger Eidotter besaßen sie (Bildrechte: Marcos Francisco Perez, CRG).