Intro zur Ausgabe 30, November 2018

Liebe Freundinnen und Freunde der Epigenetik,

der vorliegende Newsletter vermittelt eindrucksvoll, wie epigenetische Themen eine immer breitere und tiefere Bedeutung in der Biomedizin erlangen. Die
Epigenetik ist aus der Erforschung von Vorgängen des Alterns, der Gesundheit und der Vererbung nicht mehr wegzudenken.

Neue Erkenntnisse zur Vererbung epigenetischer Veränderungen sind ein Schwerpunkt dieser Ausgabe. Bernhard Horsthemke hat zu dieser Frage einen sehr lesenswerten kritischen Übersichtsartikel verfasst. Gleichzeitig bringen neue Daten ein wenig mehr Licht ins Dunkel der mechanistischen Grundlagen epigenetischer Vererbung – unter anderem zur Bedeutung langer nichtkodierender RNAs und der speziellen Funktion bestimmter so genannter repetitiver Elemente in der DNA.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die epigenetische Krebsforschung, insbesondere die systematische Kartierung von Chromatinveränderungen. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Krebs-Erkrankung nicht rein genetisch ist, sondern oft die Konsequenz einer Mischung genetischer und epigenetischer Fehler. Die genom- und epigenomweite Kartierung solcher Fehler bietet neue Einblicke in die Ursachen, aber sie liefert zugleich auch neue mögliche Angriffspunkte für Therapeutika gegen Krebs.

Die Erforschung von epigenetischen Profilen in Einzelzellen wird in naher Zukunft die Diagnostik von Krebs und anderen Krankheiten auf eine noch aussagekräftigere Ebene heben. Die Europäische Union hat gerade beschlossen, die Flagship Initiative LifeTime, koordiniert von Nikolaus Rajewsky, Berlin, und Genevieve Almouzni, Paris, auch in einer zweiten Phase zu fördern. In Deutschland wird LifeTime durch die single cell omics initiative SCOG unterstützt, der sich bereits mehr als 60 Forschungsgruppen angeschlossen haben. SCOG möchte vor allem die Epigenomik der einzelnen Zelle fördern. Dass das ein wichtiger Ansatz ist, zeigt nicht zuletzt eine Publikation, an der meine eigene Gruppe beteiligt war: Die Epigenome von Neuronen und Gliazellen, beide Bestandteile von Gehirngewebe, unterscheiden sich deutlicher als gedacht. Wenn man sich also zum Beispiel auf die epigenetischen Begleiter einer Alzheimerschen Krankheit konzentriert, ist es gut, beide Zelltypen vor der Analyse voneinander zu trennen.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

Herzlich, Ihr Jörn Walter

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