Lange gesuchter epigenetischer Wirkstoff gefunden

Loren M. Lasko et al.: Discovery of a selective catalytic p300/CBP inhibitor that targets lineage-specific tumours. Nature 550, 05.10.2017, S. 128-132.

Epigenetische Wirkstoffe wie HDAC- oder DNMT-Hemmer gibt es schon lange. Sie werden zum Teil bereits im Kampf gegen Krebs eingesetzt und gelten als viel versprechende Medikamentenart der Zukunft. Das Problem der meisten dieser Substanzen ist jedoch, dass sie unspezifisch sind, das heißt, sie wirken auf eine ganze Klasse von Enzymen und verändern den epigenetischen Code vieler Zellen nach der Schrotschussmethode. Um Nebenwirkungen zu verringern, suchen Pharmakologen deshalb fieberhaft nach einer neuen Art epigenetischer Wirkstoffe, die idealerweise nur einen Enzymtyp aus einer ganzen Familie ansprechen. Bei einigen Enzymklassen fanden sich bereits heiße Kandidaten. Nur bei der Gruppe der Histonacetyltransferasen, kurz HATs, die Acetylgruppen an Histone anlagern und Gene damit in aller Regel aktivierbar machen, hatten die Forscher seit Jahren keinen Erfolg. Doch nun stellten Pharmakologen der US-amerikanischen Firma Abbvie mit Kollegen endlich einen hochspezifischen HAT-Hemmer vor. Zudem zeigten sie, dass die neue Substanz das Potenzial hat, Tumorzellen effektiv zu bekämpfen.

Der Wirkstoffkandidat, entdeckt per aufwändigem Screening, heißt A-485. Er hemmt die HAT P300 und ihre enge Verwandte CBP. „Schon lange haben viele Labors auf diesen HAT-Inhibitor gewartet“, sagt Susanne Müller-Knapp vom Structural Genomics Consortium (SGC) in Frankfurt am Main und Mitherausgeberin dieses Newsletters. P300 und CBP spielten „eine zentrale Rolle nicht nur bei vielen physiologischen Abläufen, sondern auch in Krankheiten, etwa bei Krebs oder Entzündungsreaktionen.“ Schon länger setze man deshalb unspezifische HAT-Hemmer ein, mit eher unbefriedigenden Ergebnissen. Nun könne man gezielt die Aufgaben der von A-485 gehemmten Enzyme aufklären. Und es zeichnet sich bereits die Krebsbekämpfung als viel versprechendes Einsatzgebiet ab: Sowohl bei Zellkulturen als auch im Tiermodell konnten die Forscher zeigen, dass bestimmte Prostata-, aber auch Blutkrebszellen empfindlich auf das neue Mittel reagieren. Gehemmt wird letztlich nur die Acetylierung an zwei Histon-Stellen: H3K18 und H3K27. Dadurch erzeugen die Zellen aber deutlich weniger Proteine, die längst als Krebs-Treiber identifiziert sind, und Tumoren schrumpfen. Der Rest des Histon-Codes bleibt unverändert.

Vor allem wegen dieser Kombination aus hoher Spezifität und sich abzeichnender guter Wirksamkeit fällt Müller-Knapps Fazit äußerst positiv aus: „Ich erwarte noch viel von diesem Molekül.“ Auf den Internetseiten von SGC wurde die Struktur der neuen Substanz und einer unwirksamen Kontrollsubstanz namens A-486 mit weiteren wichtigen Informationen für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Forschung mit dem hochspezifischen HAT-Hemmer soll möglichst rasch vorankommen: www.thesgc.org/chemical-probes/A-485.