Intro zur Ausgabe 28, Januar 2018

Wissenschaftsautor Dr. Peter Spork, Bildrechte: Thomas Duffé

Um ehrlich zu sein, geht mir dieser Vorwurf allmählich auf die Nerven: In Studien zur Epigenetik würden immer nur Korrelationen gemessen, keine Kausalitäten, sagen Kritiker. Sei zum Beispiel ein Epigenom bei einer Krankheit systematisch verändert, müsse das noch lange nicht ihr Auslöser sein. Es sei vielleicht auch nur deren Folge. Im Grunde könnten charakteristische epigenetische Muster sogar nur ein Nebenprodukt des eigentlichen Krankheitsauslösers sein, etwa eines Umwelteinflusses. All das stimmt natürlich in den meisten Fällen. Und die Epigenetiker sind die letzten, die das nicht wüssten und immer wieder darauf hinwiesen. Doch es ist vor allem kein Grund die Epigenetik zu verteufeln. Das Forschungsgebiet wird dadurch keine Handbreit weniger spannend.

Erstens gibt es zunehmend Ansätze zur Erforschung kausaler Indizienketten. In diesem Newsletter stelle ich zum Beispiel eine Arbeit vor, bei der Forscher mit Hilfe des Genom-Editierungs-Verfahrens CRISPR/Cas das Epigenom gesunder Zellen so veränderten, dass daraus brustkrebsartige Zellen wurden: Epigenom-Editierung ahmt Entstehung von Brustkrebs nach. Zweitens sollten die Kritiker nicht vergessen, dass auch viele Studien, die den Zusammenhang zwischen genetischen Mutationen und Krankheiten herstellen, auf bloßen Korrelationen beruhen. Das zeigt sehr schön der Beitrag Gene wirken sogar, wenn sie nicht vererbt werden.

Vor allem aber sind es die Epigenetiker selbst, die das Korrelations-Dilemma zunehmend mit aufregenden neuen Konzepten entwirren. Im Beitrag Henne oder Ei geht es um zwei große Studien, die nahe legen, dass es in vielen Fällen tatsächlich nicht die epigenetischen Markierungen, sondern genetische Auslöser oder direkte Folgen von Umwelteinflüssen sind, die das Risiko komplexer Krankheiten entscheidend erhöhen. Der Beitrag Wenn nur ein Zwilling raucht liefert dann wieder Indizien für das Gegenteil.

Vermutlich einigen sich die Kontrahenten eines Tages also irgendwo in der Mitte. Doch ganz unabhängig davon, wie der Streit letztlich ausgeht, sorgen die faszinierenden Daten der Epigenomik schon jetzt für riesige Fortschritte in der Biomedizin. Selbst, wenn sie sich eine Tages tatsächlich „nur“ als bloße Korrelationen entpuppen. So korrelieren sie mit vielen Krankheiten doch so gut, dass sie perfekte Biomarker sind. Auch dazu gibt es in diesem Newsletter Epigenetik schöne Beispiele: Auf den Seiten 9 und 11 stelle ich bahnbrechende neue Erkenntnisse zur epigenetischen Krebsdiagnostik vor.

Sie sehen also: Auch dieses Mal ist für spannende, anregende und Diskussionen befördernde Lektüre gesorgt. Viel Spaß beim Lesen!

Herzlich, Ihr Peter Spork

 

Bildrechte: Thomas Duffé