Intro Juli 2012

alex_meissner08_klEnde der neunziger Jahre, als bereits gut ein Drittel des menschlichen Erbgutes entschlüsselt waren, riefen prominente Epigenetiker wie Stephan Beck und Jörn Walter dazu auf, über die einfache DNA-Sequenz hinaus zu schauen. Das Human Epigenome Consortium (HEC) wurde als erstes vieler weiterer Projekte zur Entschlüsselung des Epigenoms gegründet. Doch erst mit der Einführung neuer Techniken (Next-Generation-Sequencing) begann die wirklich produktive Phase der Epigenom-Kartierung: Zunächst startete das NIH Roadmap Epigenome Project, dann das International Human Epigenome Consortium (IHEC) und kurz danach das EU-Projekt Blueprint. Das NIH-Konsortium besteht aus vier Zentren (Broad Institute, UCSD, UCSF und University of Washington), die sich auf verschiedene Aspekte der Kartierung konzentrieren. Gemeinsam werden wir bis Ende dieses Jahres über 50 Karten verschiedener epigenetischer Markierungen in diversen Zelltypen entziern und der internationalen Wissenschaft frei zur Verfügung stellen. Der Einuss dieser ausführlichen Epigenom-Karten wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Doch schon heute liegen jede Menge neue Grundlagenkenntnisse vor. Übersehen wird oft der technologische Fortschritt, den solche Projekte mit sich bringen: Die Kosten für eine komplette Kartierung der DNA-Methylierung sanken in den letzten Jahren um fast das Fünfzigfache. Neue epigenetische Modi- kationen wurden entdeckt, und es wurden Technologien entwickelt, diese zu kartieren. Dass sich auch die Sensitivität der Methoden deutlich verbesserte, bestätigt die hier vorgestellte Arbeit aus unserem Labor (Ei bestimmt Epigenom des frühen Embryos): Darin gelang es uns, die DNA-Methylierung eines Genoms mit dem Einsatz von weniger als fünfzig Zellen zu bestimmen. Noch vor zwei Jahren waren dafür gut 5.000 Zellen nötig, im Jahr 2005 20 Millionen.

Angesichts der Fortschritte warten wir mit Spannung auf die ersten 100 und bald darauf 1.000 Epigenom-Karten. Schwerlich werden sie alle Fragen zum Genom und Epigenom beantworten, aber wir werden viel genauer wissen, welche Modifikationen wann und wo im Genom zu finden sind, was sie dort regulieren und wie sie sich im Laufe der gesunden Entwicklung normal sowie bei Erkrankungen wie Krebs abnormal verändern.

Herzlich, Ihr Alexander Meissner

(Foto: Broad Institute)