Histon-Code bei Entwicklung unwichtig?

NGlargecoverSilvia Pérez-Lluch et al.: Absence of canonical marks of active chromatin in developmentally regulated genes. Nature Genetics 47, 10/2015, S. 1158-1167.

Leider ist es bei der Epigenetik wie bei allen ernsthaften Wissenschaften: Je mehr neue Details Forscher ergründen, desto unübersichtlicher wird das Feld. In Sachen Histon-Code schien bislang zum Beispiel klar, es gibt Histon-Markierungen, die benachbarte Gene eher aktivierbar machen und andere, die Gene eher abschalten. In der Theorie sorgen die einen epigenetischen Veränderungen dafür, dass das Chromatin genannte DNA-Protein-Gemisch kompakt zusammenrückt, während die anderen Markierungen das Chromatin auflockern. Jetzt fand ein internationales Forscherteam um Roderic Guigo aus Barcelona aber heraus, dass diese Regel für bestimmte Gene zumindest bei Fliegen und Würmern nicht gilt.

Die Forscher werteten Daten des modENCODE-Projekts aus, das systematisch Regel-Elemente in den Genomen von Modellorganismen wie Fadenwürmern oder Fruchtfliegen sammelt. Dabei entdeckten Guigo und Kollegen, dass die Regulation solcher Gene, die im Laufe der Entwicklung von Fliege oder Wurm kurzfristig benötigt werden, offenbar unabhängig vom Histon-Code ist. Sie werden per Transkriptionsfaktor an oder aus geschaltet, obwohl in ihrer Nähe keine Histone das typische Methylierungsmuster für aktives Chromatin aufweisen. Das typisch aktivierende epigenetische Markierungsmuster setzen Zellen nach Meinung der Forscher vor allem dann ein, wenn bestimmte Gene dauerhaft aktiv bleiben sollen. Und da es Hinweise auf ähnliche Zusammenhänge auch aus Studien mit anderen Tieren gebe, könne es sich dabei sogar um ein generelles Phänomen handeln.

Abbildung: Das Titelbild von Nature Genetics zeigt Histon-Schmetterlinge, gemalt von Luisa Lente. Sie ließ sich vom hier vorgestellten Artikel und von Salvador Dali inspirieren (Bildrechte: Nature Genetics).

English version: Is the histone code necessary during development?