Epigenetischer Wirkstoff macht Fresszellen Appetit auf Krebs

Jennifer L. Guerriero et al.: Class IIa HDAC inhibition reduces breast tumours and metastases through anti-tumour macrophages. Nature 543, 16.03.2017, S. 428-432.

Tumorzellen gehen oft eine unheimliche Allianz mit bestimmten Immunzellen, den Makrophagen, ein. Diese „Fresszellen“ sind eigentlich zuständig für die Zerstörung körperfremder Strukturen und sollten sich idealerweise auch gegen entartetes Gewebe richten. Doch in der direkten Umgebung der Krebsgeschwulste wandeln sich die Immunzellen – vermutlich gesteuert von Signalen aus den Krebszellen – zu so genannten tumorassoziierten Makrophagen (TAMs). Diese helfen dem Krebs sogar, indem sie zur Entzündung gesunden Gewebes beitragen und dem bösartigen Geschwulst weiteren Raum verschaffen. Deshalb ist es ein Ansatz der modernen Krebsmedizin, TAMs gezielt zu vernichten.

Nun gingen Onkologen aus den USA aber einen anderen Weg: Es gelang ihnen, die in die Irre geleiteten Makrophagen epigenetisch so umzuprogrammieren, dass diese wieder Appetit auf das bösartige Gewebe bekamen. Zumindest in Experimenten mit Mäusen verringerte dieser Ansatz die Größe von Brusttumoren und zerstörte Metastasen. Außerdem verbesserten sich mit Hilfe der epigenetischen Therapie zwei gängige Formen der klassischen Chemotherapie. Diese waren in Kombination mit dem neuen Ansatz durchschlagskräftiger und wirkten länger nach.

All dies erreichten Jennifer Guerriero und Kollegen mit einer Substanz namens TMP195, die gezielt einige wenige Enzyme aus der großen Gruppe der Histondeacetylasen hemmt, so genannte Klasse IIa HDACs. Diese verändern offenbar nur bei Makrophagen und ihren Vorläufern den epigenetischen Code, nicht aber bei anderen Immunzellen, was den neuen Wirkstoff besonders zielgenau macht. Genau genommen verhindert TMP195 das Entfernen von Acetylgruppen von bestimmten Stellen der Histonproteine, um die die DNA der Zellen mehr oder weniger fest aufgewickelt ist. Das verstellt wiederum die Aktivierbarkeit benachbarter Gene und versetzt die Zellen so in einen ursprünglicheren Zustand zurück. Auf einmal erkennen die Makrophagen die Krebszellen wieder als das, was sie sind, nämlich eine Bedrohung für den Organismus, und versuchen sie zu vernichten.