Epigenetik im „Goldrausch“

Cassandra Willyard: An epigenetics gold rush: new controls for gene expression. Nature 542, 22.02.2017, S. 406 – 408.

www.spektrum.de/news/ein-neuer-dreh-in-der-epigenetik/1440214

Seit einigen Jahren ist die Welt der Epigenetik um eine neue Gattung biochemischer, die Genregulation beeinflussender Markierungen reicher: Nicht nur die DNA-Base Cytosin kann offenbar mit einer Methylgruppe versehen werden, sondern auch die Base Adenin. Diese Adenin-Methylierung ist sehr selten und wurde bislang vor allem bei einer Algenart, dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans sowie in sehr geringer Menge in embryonalen Stammzellen von Mäusen gefunden. Sie sitzt für gewöhnlich an den Startpunkten von Genen und scheint deren Ablesbarkeit zu steuern.

Sehr viel häufiger scheint methyliertes Adenin aber an Boten-RNAs (mRNAs) vorzukommen. Diese Biomoleküle entstehen, wenn der Code eines Gens per Transkription abgelesen wird. Sie bringen den genetischen Bauplan aus dem Zellkern heraus zum Ort der Proteinsynthese, weshalb die Gesamtheit der mRNAs einer Zelle auch als deren Transkriptom bezeichnet wird. Das Transkriptom spiegelt die Genaktivität der Zelle direkt wieder, und man dachte bislang, mRNAs seien nicht viel mehr als Matritzen für den Proteinbau. Doch nun wird klar, es gibt Enzyme, die mRNAs gezielt epigenetisch verändern und andere Enzyme, die diese Information lesen und interpretieren können. Dadurch wird zum Beispiel entschieden, ob eines der Botenmoleküle rasch abgebaut oder besonders intensiv abgelesen wird. Auch darüber, ob die mRNA an einer bestimmten Stelle gespleißt – also für den Bau einer besonderen Proteinvariante aufgeteilt – wird, scheint über die Adenin-Methylierung gesteuert zu werden. Experten haben bereits einen völlig neuen Forschungszweig ausgerufen, die Epitranskriptomik.

Die Wissenschaftsjournalistin Cassandra Willyard hat nun all diese aufregenden neuen Entdeckungen in einem lesenswerten Übersichtsartikel für das Fachblatt Nature zusammengefasst, von dem bei spektrum.de auch eine deutsche Übersetzung erschienen ist. Sie spricht von einem „Goldrausch“ der Epigenetik. Und es scheint tatsächlich, als werde gerade ein völlig neues Kapitel in der Genregulationsforschung aufgeschlagen.